Obdachloser Herzöffner

Steffen vor einigen Tagen in Wismar.

Steffen Perniß ist obdachlos. „Auf Platte“, wie er es nennt. Seit über zehn Jahren. Nach Wismar ist der gebürtige Thüringer gekommen, um sich hier das Leben zu nehmen. Schluss. Aus. Ende. Nur noch einmal die Ostsee sehen, denn das war schon als Kind sein Traum.

Wir lernen uns an einem seiner besseren Tage kennen. Die waren in seinem Leben bisher eher dünn gesät. Vor Pfingsten schneidet sich Steffen deshalb die Pulsadern auf. Im Parkhaus vom Spaßbad.

„Als das Blut dann lief…. fand ich alles so verrückt und hab mich gefragt: Was mache ich hier eigentlich?!“ Während Steffen mir das bei unserer ersten Begegnung erzählt, kriecht mein kritischer Blick automatisch unter die Ärmel seiner sandfarbenen Jacke. Fündig bleibt er an seinem linken Handgelenk hängen. Stimmt. Eine weiße Mullbinde. Manchmal nervt dieser Anteil in mir, der zunächst alles in Frage stellt. Was habe ich denn gedacht? Dass dieser Mann Unsinn erzählt? Ich erinnere mich, wie seine Hand mit dem Verband nach einem weinroten Stoffbeutel greift. „Cooles Teil“, wundert es sich in mir. Dieses „es“ meint tatsächlich den Beutel. Ein Obdachloser mit einem sauberen, noch dazu coolen Stoffbeutel irritiert offensichtlich mein inneres Bild. Hat was von overdressed. „Nicht zu fassen“, geht es mir seinerzeit durch den Kopf. „Was für völlig idiotische Gedanken. Jetzt reiß dich mal zusammen, Ina!“

Von vorn. Elke, unsere Redaktions-Sekretärin, bringt letzte Woche einen Besucher mit prallen Taschen und eingerollter Schlafmatte an meinen Schreibtisch. „Das ist Herr Perniß“, stellt sie ihn vor – einen Zettel mit Notizen in der Hand, von dem sie abliest. „Herr Perniß ist seit dem 11.5. in Wismar, obdachlos, hat einen Suizidversuch hinter sich und möchte sich jetzt beim Sozialarbeiter vom Krankenhaus, der Diakonie und dem Jobcenter bedanken, die ihm sehr geholfen haben.“ Nach dieser ungewöhnlichen Bekanntmachung verlässt Elke den Raum und ich sitze das erste Mal in meinem Leben einem Obdachlosen ganz nah gegenüber.

„Ja, ich möchte mich bedanken“, sagt der. „Ich habe so etwas wie hier noch nie erlebt.“ Aus eben jenem farbigen Beutel zieht er jetzt einen dicken Hefter mit vielen Formularen und Zetteln, sorgfältig in Klarsichtfolien verpackt. Er suche nach einem Namen von der Frau im Jobcenter. Die sei sehr hilfsbereit – will ihm eine Wohnung und einen Ein-Euro-Job besorgen. Er blättert in Stapeln von Papieren, findet den Namen aber nicht.

Nein, er stinkt nicht. Meine Nase hat längst recherchiert. Was rüberweht, erinnert mich eher an jenen seltsamen Geruch von „Morgens-nach-der-Party“. Kalter Rauch, ja. Und Alkohol? Jjjein. Ich bin nicht sicher.

Mir fallen seine blauen Augen auf. Steffen erzählt. Vieles geht zunächst durcheinander. Oder passiert das in meinem eigenen Kopf?

Vor ein paar Wochen war er in Halle. Nachts dann vier Typen. Steffen kam nicht schnell genug aus seinem Schlafsack. Sie haben unerbittlich zugetreten. Eine Rippe bricht. Doch am schlimmsten es es am Kopf. Furchtbare Tritte haben sein Auge erwischt. „Die Rippen, blaue Flecken – alles egal. Ich hatte nur Angst, dass ich nie wieder sehen kann“, erzählt er.
Hornhaut gerissen, diagnosztiziert ein Arzt im Krankenhaus. Operation, Augenklappe und dann nichts wie weg.

Steffen ist „Alleingänger“. Er hat niemanden, fühlt sich nirgens zugehörig. Das war mal anders. Damals in Nürnberg, vor acht Jahren. Da hatte er Annette. Sie wohnten zusammen im Obdach, hatten sich zuvor in Dessau kennengelernt. „Eines nachts wache ich auf“, erzählt Steffen. „Annette lag nicht neben mir. Ich bin um die Ecke, hab geschaut – da hing sie dann in der Küche.“
„Mit einem stumpfen Brotmesser hab ich sie losgeschnitten“, taucht Steffen in die Vergangenheit ab. Seine Stimme verändert sich. Wird dünner. „Irgendwie hab ich’s geschafft“, erinnert er sich. „Ich war wie von Sinnen, hab es mit Mund-zu-Mund-Beatmung versucht. Doch zu spät. Sie war schon tot.“

Steffen säuft sich ins Koma.  „Was dann kam, war nicht Abstieg, sondern freier Fall“, sagt er. „Ich bin von Stadt zu Stadt gezogen.“
Rastlos. Betrunken. Allein.

Ich höre ihm zu, fast bewegungslos. Ich weiß nicht, was ich sagen oder fragen soll. Immer wieder muss ich auf seine Hände schauen. Die sind leicht gebräunt, ganz glatt und schön. Ist mir sofort aufgefallen. Seltsam. So vieles an ihm bricht das übliche Bild.
Was für ein Bild eigentlich?
Innerlich spüre ich einen Strom von Tränen, der mir bis zu Hals steigt. Keine Ahnung, was ich in dem Moment fühle?
Doch. Traurigkeit.

Was Steffen wohl fühlt?
Irgendwie wage ich es nicht, diese Frage direkt zu stellen. Habe ich Angst vor seiner Antwort?

Steffen ist 43. Ein Jahr jünger als ich. Er hat Koch gelernt, sagt er, weil er das immer irgendwie mochte. Mechaniker ist er auch. Ich staune. Zwei Berufe. „Warum lebst du auf der Straße?“, frage ich ihn. Er bewegt sich auf seinem Stuhl hin und her.  „Die haben damals nicht bezahlt“, sagt er. „Ich habe gearbeitet und sie haben nicht bezahlt.“ Nachdem ich die Frage gestellt habe, spüre ich, dass sie mehr schwer als wirklich wesentlich ist. Gott im Himmel, mir fallen irgendwie nur doofe Fragen ein, schelte ich mich innerlich. Mein Kopf ist wie leergefegt.

Ob er überhaupt noch richtig und gut schlafen könne, nachdem sie ihn in Halle so verprügelt haben, will ich als nächstes wissen. Er schaut mich an. Diesmal wie ein Meister. Und antwortet: „Schlafen? Ich habe seit acht Jahren nicht mehr geschlafen. Auf der Straße geht das nicht. Da bist du immer irgendwie unter Strom. Es ist kalt, nass, gefährlich.“

An diesem Punkt wendet sich in mir ein Blatt. Ich kann es nicht erklären. Es passiert einfach. Demut, Respekt, Würde…  All das fließt plötzlich. Ich spüre es und möchte diesen Fremden gern umarmen. Nicht aus Mitleid, sondern weil es sich gut und richtig und stimmig anfühlt.
Ich bin feige.
Rege mich nicht.
Höre weiter einfach nur zu.

Nach Wismar kommt Steffen, weil er sterben und leben will.
„Wenn du da ganz unten bist… wirklich ganz unten… direkt an der Grenze zum Freitod, dann ist es schwer, dich wieder aufzurappeln. Ohne Hilfe schaffst du es einfach nicht. Unmöglich.“

Im Obdachlosenheim am Haffeld ist kein Zimmer frei. Aussichtslos. Das Amt will ihn deshalb, so ist es üblich, zunächst in den „Schläferbereich“ stecken. Versiffte Matten, große Räume. „Ohne mich. Das ist unwürdig.“, sagt Steffen. „Dann lieber Voll-Platte.“
Er entdeckt das Parkhaus an der Kuhweide.

Auch am Hafen hat er etwas Glück. Manchmal abends bekommt er dort von den Kuttern eine Tüte Fischbrötchen. Gute Reste. Einmal sogar einen heißen Kaffee. Umsonst. „Betteln ist nicht leicht“, sagt er. „Die Scham ist groß. Anfangs ist es besonders schwer. Später gewöhnt man sich. Aber oh ja, ich schäme mich noch immer sehr, wenn ich Leute anbetteln muss.“

Pfingsten schlitzt sich Steffen die Pulsadern auf. So hatte er es geplant.
Glück im Unglück. Er schneidet nicht tief genug. Passanten rufen einen Notarztwagen. Steffen kann ein paar Tage in der Klinik bleiben. Warm und trocken. Der Sozialarbeiter im Krankenhaus setzt sofort einige Hebel in Bewegung. Das Netzwerk funktioniert gut. Diakonie und Jobcenter arbeiten Hand in Hand. Steffen nimmt die Hilfe an. Er öffnet die Herzen vieler Menschen in Ämtern und Einrichtungen. Ja, irgendwie geschieht das. In seiner Gegenwart klopft das eigene Herz spürbarer.

Ob er denn nun schon die Ostsee gesehen hätte, frage ich ihn zum Schluss. „Nee, nicht so wirklich“, lautet die Antwort. Er wäre halt nur am Hafen gewesen.
„Dann fahren wir da zusammen hin“, schlage ich ihm vor. „Hast du ein Handy“, frage ich unüberlegt. „Wir müssen beide lachen.“ Natürlich nicht. Kein fester Wohnsitz, kein Handy. Ist eben eine völlig neue Erfahrung auch für mich: Wie verabrede ich mich mit einem Obdachlosen?
„Frag meine Fallmanagerin“, sagt Steffen. „Die weiß, wo ich wann stecke.“

Dann der Abschied. Ich bin etwas unsicher, krame in meinem Portemonnaie. Mist, nur noch acht Euro. Mir ist das peinlich. Die strecke ich ihm entgegen. Eine skurrile Situation.
„Das kann ich nicht annehmen“, wehrt Steffen entsetzt ab. Wir stehen uns jetzt gegenüber.
„Wieso nicht?“, frage ich zurück. „Das ist gegen den Codex. Solange noch Essen an Bord ist, nehme ich kein Geld. Ich hab noch ein halbes Hähnchen in der Tasche.“
„Was für ein doofer Codex“, platze ich raus. „Gut. Dann isst du das Hähnchen eben gleich, ich warte… und dann nimmst du das Geld.“ Er lacht. Ich auch. Und dann breitet Steffen spontan seine Arme aus. „Ok. Dann eben so….“, sagt er.
Und ich bekomme meine Umarmung. Die schönste seit langem.
Von einer mutigen tapferen Seele.
Einem besonderen Menschen.
Danke, Steffen!

Als Kind wollte sie Zauberin werden!

Susanne Wiest beim Locken drehen!

Ein ganz und gar unvollständiges Porträt einer zauberhaften Piratin von der Greifswalder Wieck. Die Grundeinkommenaktivistin will mit vielen guten Ideen die Schatzkammern des Bundestages füllen.

„Bist du jetzt Politikerin?“, frage ich Susanne bei meinem gestrigen Besuch. Mag sein, dass sich meine Nase dabei fast unmerklich ein wenig rümpft. „Nö.“, antwortet sie ganz spontan. „Aber Spitzenkandidatin!“ Beide prusten wir daraufhin los. Lachen hilft bei der Befreiung von alten Begriffen und Vorurteilen. Herrlich! Und auch meine Nase entspannt sich jetzt. Wir essen riesige Schoko-Glückskekse, die ich aus Wismar mitgebracht habe. Susanne, die Parteienskeptikerin, rollt dabei einen Spruch über Chaos und verborgene Schätze auf und lacht. „Oh ja. Das passt.“
Seit zwei Jahren ist sie Mitglied in der „wildesten Partei Deutschlands“ – und heute auf Listenplatz 1.
„Ich will in den Bundestag!“, sagt die rot gelockte Piratin entschlossen. „Die wichtigen Themen wollen dorthin.“

„Ohne Partei ist es schwer, hier etwas mitzugestalten“, spricht Susanne aus Erfahrung. „Parteien sind wie ein Link zum Gesetzgeber und oft die einzige Möglichkeit, an die Legislative ranzukommen. Das ist nicht optimal und auch altmodisch. Doch die Form ist so“, bekennt die 46-Jährige. „Das wird jedenfalls ein lustiger Sommer“, schmunzelt sie und wickelt eine von ihren ungebändigten Locken um den Finger. „Ich fahre eben diesmal nicht nach Italien, sondern mache lieber noch eine Runde Demokratie.“ 

Das erste Mal begegne ich Susanne Wiest im Januar 2009 im HCC Hannover. Sie hält dort ihre erste Rede zum Thema Grundeinkommen. Die online-Petition der Tagesmutter aus Greifwald erregt seit Wochen Aufsehen. Auch ich bin angereist, um jene Frau kennenzulernen, die mich aus einem gut bürgerlichen Dornröschenschlaf gerissen hat. Seit ich durch Susanne Wiest vom Impuls des BGE gehört habe,  bin ich wie elektrisiert. Entschlossen und begeistert leite ich die Petition an Freunde weiter, lese, reise, recherchiere und fühle wieder Zuversicht und Freude auf dem Ackerboden lebendiger Demokratie. Zusammen mit Götz Werner, Sascha Liebermann, Ute Fischer und Gerald Häfner spricht Susanne damals von der Bühne in der Eilenriedehalle zu einem bunt gemischten Publikum. Ich kenne die Leute links und rechts neben mir auf den Zuschauerstühlen gar nicht, spüre jedoch binnen kürzester Zeit eine Vertrautheit und Verbundenheit, die damals für mich noch ganz neu war und die mich bis heute trägt.
Etwa eine Woche später bricht der Server des Bundestages zusammen. Die mächtige Resonanz der Mitzeichner legt ihn für zwei Stunden lahm. Die Idee eines bedingungslosen sGrundeinkommens bündelt Kräfte und Mächte und verbreitet sich wie ein Lauffeuer. 52.973 Unterschriften innerhalb kürzester Zeit. Rekord! Zur Bundestagswahl 2009 tritt Susanne als parteilose Einzelbewerberin im Wahlkreis Greifswald-Demmin-Ostvorpommern an. Im November 2010 bringt sie ihr Anliegen vor dem Petitionsausschuss im Deutschen Bundestag vor. Graswurzeldemokratie.

Und heute.
Was ist anders?

„Es ist eher komplizierter als einfacher geworden“, sagt die Piratin. „Ich weiß noch gar nicht so wirklich, welches Element jetzt dazu gekommen ist?“ Sie hält einen Moment inne. „Der Garten hat einen Zaun. Die Partei stellt auch eine Grenze dar. Ich werde mit vielen Leuten und Meinungen in einen Topf geworfen. Für mich ist es Wagnis und Aufgabe zugleich, diese Vielfalt und Widersprüchlichkeiten auszuhalten und oft einfach so stehen zu lassen.“

Vor einer Woche war Piratenparteitag in Neumarkt. Zeitgleich ein anderes Highlight für Susanne Wiest: Wagenburgtreffen in Münster. Sie verbindet das eine mit dem anderen. Auch im Herzen. „Münster war wie ein Klassentreffen nach vielen Jahren. Dort ist alles erblüht. Ich war ganz berührt.“

Viele Jahre hat Susanne selbst in einem blauen Zirkuswagen gelebt. Ihr Sohn Joshua ist dort geboren. „Fünf Leute auf 40 Quadratmetern – dafür sehr viel Wiese und Land drumherum.“

Die Wagenburg ist wie ein Gleichnis für die gebürtige Bayerin. „Du lebst in einer Gemeinschaft, machst Wege, pflanzt Obstbäume an, es gibt keinen Chef, wenig Reglementierungen – und jeder Wagen sieht anders aus. Der eine mag eben Schrottkunst vor der Tür, der nächste viele Blumentöpfe, einem dritten ist beides wurscht. Und doch ist jeder Wagen für sich individuell und schön. Man wird so deutlich. In einer Mietwohnung wird das Bedürfnis, sich zu zeigen, doch oft völlig erstickt. Ein bunter Fußabstreifer und ein Kranz an der Tür – das war’s dann. Da halte ich es lieber mit Hundertwasser, der gesagt hat, jeder sollte doch zumindest so lang sein Arm mit dem Pinsel aus dem Fenster reicht, sein Haus bunt bemalen dürfen. Dann kann ich zu meinen Freunden sagen: Schau, das dort, mit den gelben Margeriten mit den blauen Punkten, das ist meins.“

Gleichschaltung ist für Susanne Wiest völlig uninteressant. Langweilig! Vielmehr beschäftigt sie die Frage: Wie geht das mit der Individualität und der Gemeinschaft?

„Das ganze ist ein riesiges Experiment. Schnelle Lösungen gibt es nicht. Dazu sind die Dinge zu komplex. Jene, die immer gleich fertige Analysen und Antworten parat haben, sind meist im alten Denken verhaftet und folgen überholten Mustern. Mit Wandlung hat das nichts zu tun.“

Ich frage Susanne nach ihrer Erfahrung mit der Bedingungslosigkeit.

„Für Leute ist das oft Schocking!“, erfährt Susanne in Gesprächen zum Grundeinkommen immer wieder. „Dabei erlebt jeder von uns, wenn er Glück hat, immer wieder Formen der Bedingungslosigkeit. Zum Beispiel in der Familie oder bei Freunden: Ich muss nicht erst irgendwas leisten, um ein Abendessen zu bekommen. Sobald wir etwas schenken, machen wir auch Bedingungslosigkeit erlebbar. Kürzlich habe ich darüber nachgedacht, dass auch viele Abgeordnete bereits von einer gewissen Bedingungslosigkeit berührt sind. Sie bekommen ihre Diäten, ob sie dafür nun Reden halten oder Anträge einbringen oder nicht. Manche tauchen nicht mal im Parlament auf. Geld bekommen sie dennoch. Diäten sind kein leistungsbezogenes Einkommen. Sie machen im Grunde einen großzügigen Rahmen von bedingungslosem Vertrauensvorschuss deutlich. So neu ist der Gedanke also nicht. Wir alle müssen uns dieses Feld nur mehr und mehr bewusst machen und weiter erforschen.“

„Ich will dahin gucken, wo es klappt“, sagt Susanne. Ich lauer nicht auf Fehler! Vielfalt ist der wahre Zauber!“

Tatsächlich wollte sie als Kind Zauberin werden. „Manchmal habe ich mir vorgestellt, wie es wäre, wenn eine gute Fee mit drei freien Wünschen zu mir käme. Und ich wusste, dann werde ich schlau genug sein und mir nicht Taschentuch, Roller oder sowas Dämliches wünschen, sondern den großen Coup landen: Ich will eine Zauberin sein! Dann kann ich mir eh alles wünschen.“

Susanne lacht. „Ja, ich wollte immer etwas werden und sein, wo ich frei bleibe.“

Magie in ihrem Leben erlebt sie auch ohne gute Fee immer wieder.
„Wunder geschehen!“, weiß sie.
Und daran sind Menschen beteiligt.

„Immer wieder habe ich wundersamste Unterstützungen und Zufälle erlebt“, erzählt sie. „Oft an einem Punkt, an dem ich der Verzweiflung nah war und dennoch meine Ängste wieder ein Stück loslassen konnte. Mein Motto: Ich mache jetzt, was ich wirklich machen will. Alles andere ist mir egal…. und dann ging es auch und die verrücktesten Dinge und Menschen kamen auf mich zu.“

Sich zu verbiegen, nur um Geld zu verdienen, ist unwürdig. Menschen auszugrenzen, weil sie kein Geld haben, ebenso. „Diesen Stress dürfen wir heute niemandem mehr antun“, sagt Susanne Wiest. „Ich bin mit dem ganzen Thema auch noch nicht durch“, gesteht sie. „Doch Einkommen und Arbeit habe ich weitgehend in meinem Denken und Tun entkoppelt. Wir glauben, Geld ist der Motor für alles in unserer Gesellschaft. Doch dass wir etwas tun, etwas Neues tun, ist die wahre Schöpferkraft. Alles, was ich auch für andere tue, ist gestaltende Arbeit, kreative Arbeit. Immer wieder stehe ich vor dem Nichts, aber ICH WILL!“

Die Gesellschaft macht gerade einen gewaltigen Wandel durch.
„Es will etwas werden“, spürt Piraten-Zauberin Susi.
„Die richtige Arbeit teil sich mit. Es gibt eine Freiheit in der Hinwendung zu dem, was ich wirklich tun will. Eine wirkliche Aufgabe kannst du nur schöpferisch ergreifen. Niemand kann sie dir überhalftern oder aufzwingen. Das ist verrückt. Wenn du wirklich von einer Aufgabe angesprochen wirst, die zu dir passt, dann spürst du es und es ist dir eine Ehre, sie in dieser Welt zu tun. Das ist das wirklich Neue.“

Humane Schöpfer-Magie.

Susanne Wiest hat ihr Ding gefunden.
„Ich bin so sehr in das Grundeinkommen verliebt!“, strahlt die zweifache Mutter fröhlich.
„Dabei kann ich meine Liebe nicht mehr so exklusiv platzieren. Liebe ist eine Grundhaltung. Jemand sagte kürzlich: Geben und Teilen sind der neue Reichtum. Dem stimme ich dankbar zu. Und ich vertraue. Immer wieder.“

Piratin vor Schiff.

Latte Macchiato an der Wieck.
Sonniges Blühen mit Bedingungslosem Grundeinkommen.
Susanne und Marc im Gespräch.

Ihr seit Geldwaschmaschinen!

In ihrer Freien Internetschule, auf Vorträgen und Kongressen macht Autorin und Seminarleiterin Sabine Wolf Zusammenhänge zwischen der geistigen und der physischen Welt deutlich. Den Abstieg der Menschheit an den Tiefpunkt der Materie bezeichnet sie als eine „Reise von der großen kosmischen Investition zum letzten irdischen Opferpfennig“. In der Zeitenwende geht es nun darum, sich der inneren Konten bewusst zu werden.
Im Sommer 2011 besuchte ich ein dreitägige Intensivseminar von Sabine Wolf zum Thema „Kapital und Geldfluss“ und hatte anschließend Gelegenheit, mit ihr ein ausführliches Interview zu führen. Das Ergebnis unseres Gespräches erschien seinerzeit in dem alternativen Wirtschaftsmagazin „Zufall“.
  
In Zeiten von Börsencrash und globaler Finanzkrise beschäftigt ein Thema ganz besonders: Geld. Du hast in Grassau am Chiemsee gerade ein Seminar zum Thema „Kapital, Geldfluss und neue Berufe“ gegeben. Worum geht es aus deiner Sicht?
Sabine: Es geht um unsere Ganzheit auf Erden und um den vollen Wert unseres Menschseins. Unser grenzenloses Kapital wird uns nur zur Verfügung stehen, wenn wir alle Register unseres Lebens ziehen, wenn wir auf allen Klaviaturen spielen und auf allen Bühnen tanzen.
Auf vielen Lebensbühnen scheitern Projekte am Geld. Immer mehr Menschen leiden unter dem Thema. Ihre Register sind Ohnmacht, Depression und Angst. Wie hängt das zusammen?
Sabine: Wir Menschen sind sowohl irdischer als auch kosmischer Natur – sowohl Körperwesen als auch Geist-Seelen. Unsere Fähigkeit, zu fühlen, zu denken, Entscheidungen zu treffen und Realität zu erschaffen, ist ebenso vielschichtig wie unsere Natur.
Knappheit, Armut und Begrenzung sind eine Realität, die dadurch entstand, dass wir nur einen sehr geringen Teil unserer Natur akzeptierten. Also haben wir nur von diesem kleinen Teil Gebrauch gemacht, das heißt: auf einer winzigen Bühne getanzt, auf einer einzigen Klaviatur gespielt und nur ein kleines Register unseres Lebens gezogen. Was sollte dabei mehr heraus kommen, als minimale Existenzgrundlagen: Zum Leben zu wenig und zum Sterben zu viel? Diese alte Realität entspricht der alten Vorstellung vom Leben.
Was meinst du, wenn du sagst, dass Geld erst dann frei fließen wird, wenn wir unsere Schulden bezahlt haben?
Sabine: Es gibt einen unmittelbaren Vertrag zwischen jedem einzelnen von euch und der Menschheit. Und dieser Vertrag lautet sinngemäß: Ich bin gekommen, um dir zu geben. Ich, Einzelwesen, auf mich selbst gestellt, bin gekommen, um dich – Moloch – zu durchlichten. Das sind eure Schulden. Und der Zinsberg wächst, je länger ihr jammert. Je länger ihr klagt und auf die anderen zeigt, desto heftiger werden die Vertragsbedingungen sein, desto größer wird die Schwelle sein, über die ihr hinweg müsst.
Du meinst, Angst und Minderwert behindern unseren Geldfluss?
Sabine: Natürlich. Es ist für euch große kosmische Leuchtraketen nicht länger notwendig, sich auf den Opferpfennig, auf das Opferdasein zu konzentrieren. Sicher, diese Realität existiert. Doch es existiert auch eine andere. Ihr könnt wählen. Und wenn ihr eure Wahl getroffen habt, bedarf es einiges an innerer Kraft, Liebe und Bereitschaft, um dann von dem einen Lager in das andere rüber zu gehen. Diesen Schritt macht ihr nicht einfach raus aus der alten Welt. Der Vertrag besteht darin, wenn ihr aus der alten Welt in die neue geht, dass ihr sie alle mitzieht.
Was ist der wesentliche Unterschied zwischen dem äußeren Geldfluss und dem inneren Kapitalstrom?
Sabine: Der Geldstrom fließt nach außen – von uns weg. Der Kapitalstrom fließt nach innen – zu uns her. Wollen wir also den äußeren Geldfluss in Schwung bringen, dann müssen wir unseren inneren Kapitalstrom aktivieren. Mögen unsere äußeren Konten auch leer sein, die inneren sind es nicht. Sie sind prallvoll, denn wir haben – im wahren Wortsinn – mit jedem Leben bezahlt. Wir haben jede einzelne Lebenserfahrung auf unser Konto eingezahlt, denn von je her wollten wir später alles genießen. Daher steht uns nun in der Zeitenwende ein gewaltiges inneres Guthaben zur Verfügung. Zugegeben – es erscheint oft dunkel, unbekannt und bedrohlich, doch es ist unser eigener innerer Reichtum.
Demnach gehören Erfahrungen von Existenzangst und Geldmangel zum eigenen inneren Reichtum?
Sabine: Es waren Evolutionswerkzeuge in der Zeit der Dunkelheit. Wir sind abgestiegen an den absoluten Tiefpunkt der Materiebildung. Dazu mussten Armut und Geldmangel herrschen, damit wir über Existenzangst, Existenzkampf, Existenzkrampf und über Existenzkriege, die da durch die Zeitalter gegangen sind, wirklich unten ankommen. Wir haben dieses gigantische Konstrukt selbst entwickelt. Es brauchte den Geldmangel, es brauchte das Gelddrama, es brauchte den Wertmangel und das Wertdrama, es brauchte eine Wertminderung, eine Selbstwertminderung bis zum letzten Punkt unseres Lebensatems.
Klingt verdammt eng und düster…
Sabine: Das ist es. Und es ist eine enorme Leistung. Segnet euch dafür. Atmet es.
Im kosmischen Raum war das schlechterdings nicht vorstellbar, dass wir so tief kommen, so fest und so vielfältig werden konnten. Das ist ein Kapital.
Wenn ihr dieses Kapital allerdings negiert und von euch schmettert und sagt: „Die da draußen sind schuld.“ – heißt das, ihr gebt euer Kapital zu denen rüber. Die sagen dann: „Ja, wir sind schuld. Aber wir versichern dich. Wir machen eine neue Militärregierung auf, wir machen alles, was du brauchst, um in Sicherheit zu sein. Gib uns dein Kapital, gib uns deine Lebensenergien und wir bringen dich in Sicherheit.“ Das heißt, ihr schleudert eure eigenen Werte raus, den anderen vor die Füße – dann zeigt ihr mit dem Finger auf sie und sagt: „Die Bösen!“ Aber ihr gebt es ihnen ja selbst.
Wie sieht die neue Evolutionslinie aus?
Sabine: Die Dunkelheit, die Vielfältigkeit, die klebrigen Strukturen, die wir geschaffen haben, müssen jetzt in die Drehung gehen. Sie müssen frei werden, sie müssen leicht werden, sie müssen sich re-organisieren. Nachdem ihr das Geld verschmutzt bis an den Tiefpunkt gebracht habt, muss es in der Tat gewaschen werden. Nachdem ihr eure Gehirnfrequenz bis an den Tiefstpunkt verdichtet habt und die Gehirnleistung fast so hart wie Kruppstahl und in einer entsprechend langsamen Schwingung ist, müsst ihr euer Gehirn erneut waschen. Eure Gene, die ihr nach unten manipuliert habt bis an den Tiefpunkt, die müsst ihr jetzt wieder nach oben manipulieren.
Haben wir nicht genug manipuliert?

Sabine: Manipulieren ist ein Wort, das in allen Zeitaltern immer einen Beigeschmack hatte. Geht jetzt einfach kreativ damit um. Das Wort Genmanipulation ist ein sehr provokatives Wort. Manipulieren heißt ja lediglich, etwas in die eigenen Hände nehmen, mit den Händen anfassen. Ihr nehmt einfach eure eigenen Gene in die eigenen Hände. Das Herz und die Hände sind die Union der Liebe. Was euer Herz will, können eure Hände tun.

Wir können neue Reichtümer schaffen…
Sabine: Reichtum für euch selbst und andere. Es ist an der Zeit, dass ihr alles, was ihr nach draußen in die Welt gebracht habt, das ganze Kapital eures kosmisch-planetarischen Seins, was ihr nach draußen projeziert, verflucht, geschimpft, verliebt und sonstwas habt, wieder zu euch zurückholt. Ihr unterzieht es einer gehörigen Herzwäsche, um es dann wieder nach draußen zu schicken. Ihr seit Geldwaschmaschinen in diesem Sinne. Im Herzen ist eure Energie so hoch, da bleibt kein Fleck, wenn ihr eure Münzen wieder ausspuckt.
Wie sieht die neue Führungskraft aus?
Sabine: Die alten Regenten sind am Ende ihrer Kraft und Weisheit angelangt. Neue Wesen übernehmen die Führung: Kinder und Frauen, Tiere und Pflanzen, Geister und Meister. Betrachtet die Geschichte vom Herrn der Ringe, Harry Potter oder den Wellenläufern: Nicht etwa die alten Könige und großen Krieger befreien das Land von den monströsen Kreaturen der Finsternis, sondern Hobbits und Zwerge, Frauen und Elfen, Kinder, Jugendliche und Zauberlehrlinge. Dies ist keine Fantasy, sondern ein Hinweis auf unsere Geschäftswelt und Existenzwirtschaft, den wir nicht übersehen sollten. „Wenn ihr werdet wie die Kinder, öffnet sich das Himmelreich.“ Die neue Kindlichkeit und die hohe geistige Führung sind ein und dieselbe innere Meisterschaft. Sie führt – und jeder hat sie in sich.
Das Aus für Bosse, Bonzen, Banker?
Sabine: Alles verändert sich. Ich erlebe es auch bei meinen femeninen Coachings für maskuline Geschäftsmänner. Banker, Spieler, Aktionäre und Investoren – obercoole Typen, die sich unter einer Million Euro gar nicht erst an den Tisch setzen, erweisen sich als kleine Jungen, die weder das Handwerk ihrer Berufe noch Manieren kennen. Eiskalte Bonzen, hätten wir früher gesagt. Liebenswerte, hilflose Jungen, könnten wir heute sagen. Einer nach dem anderen wird in dieser Zeitenwende weich, beginnt zu weinen, spricht über seine private Situation, erinnert sich an die verlorene Kindheit und das Netz der Familiendramen. Plötzlich werden sie sich der unerträglichen Last einer Verantwortung bewusst, die sie ewig antreibt, ihre Familien zu ernähren. Jetzt entdecken sie, dass vorerst kein anderes Geschäft lohnt als die Aktivierung des eigenen Kapitalstroms. Und was entdeckt wurde, kann gelöst werden.
Dein Fazit…
Sabine: In der Zeitenwende besteht ein wesentlicher Teil der Geschäfte darin, zu heilen, zu reinigen, zu klären und alles emporzuheben, was unterworfen und abgesunken war. Das könnt ihr jeden Tag tun, ohne Heiler oder Arzt zu werden, ohne Fortbildung und Umschulung. Ihr tut es während eurer Arbeit in der Pharmaindustrie, in den Banken und Geschäften, während ihr am Schreibtisch sitzt, am Tresen steht oder in Besprechungen seid, während ihr bei Aldi an der Kasse steht und euren Käse von den Sozialbezügen zahlt.
Deine ganz praktischen Empfehlungen für die neue Zeit?
Sabine: Öffnet euch, atmet, tut all die Dinge, die bisher nicht angemessen waren. Sprecht miteinander über Dinge, die tabu waren. Seid unzuverlässig, brecht Regeln – nicht die der anderen, sondern eure eigenen. Sagt Termine ab, wenn sie nicht mehr passen, auch wenn dies unmöglich erscheint. Ihr werdet erleben, dass es allen Beteiligten wunderbar in den Kram passt. Unterschreibt keine langfristig bindenden Verträge mehr. Macht euch darauf gefasst, dass in der nächsten Zeit alles anders läuft, als ihr glaubt und wollt. Alles fließt in den Aufstieg und Aufbau. Allein eure Herzkraft erzeugt neue Geldgeschäfte, deren Wert in Kreativität und Lebensfreude liegt.
Fröhliches Sekt-Interview in Sabines Lichtpunktgarten in Wennigsen bei Hannover.
Das 27-Stunden-Intensivseminar „Kapital, Geldfluss und neue Berufe“ gibt es unter www.kristallmensch.tv

Wir sind das Immunsystem der Erde!

Sonntag wäre ein günstiger Tag für meinen Besuch und ein Interview, schreibt Margrit Kennedy vor unserem Treffen in einer Mail. Dann nämlich gäbe es im Lebensgarten den besten Bio-Kuchen im Umkreis von 80 Kilometern. Ich bin gespannt. Auf den Kuchen und auf eine der angesagtesten Geldarchitektinnen der Gegenwart.
Seit 27 Jahren lebt Margrit Kennedy zusammen mit ihrem Mann Declan im Lebensgarten Steyerberg, einer großen Siedlungsgemeinschaft in Niedersachsen. Über 100 Menschen wirken dort an einer sozialen, kulturellen und ökologischen Vision.
Es ist Sonntag. Ich parke gleich am Eingang der Siedlung und frage nach. Ja, ich werde im Cafe´ erwartet. Einer der Lebensgärtner, dem ich zufällig auf dem Vorplatz begegne,  bedeutet mir, ihm zu folgen. Erstmal treppabwärts, dunkles Kellergeschoss. Ich blicke etwas verwirrt. „Lieferanteneingang“, murmelt er schmunzelnd und schiebt mich nach ein paar Metern auf kürzestem Wege in einen hellen gemütlichen Gastraum. Stimmengewirr und Geschirrklappern. Der Raum ist klein und voller Menschen, so dass es schließlich Margrit Kennedy ist, die aus dem Gewusel auf mich zukommt. Sie wirkt stark und fein zugleich – sympathisch, gelöst und natürlich. Und sie hält, was sie verspricht: Als erstes nämlich macht mich die Geldexpertin mit jenem angekündigten Bio-Kuchen-Buffet bekannt, das tatsächlich sensationell lecker aussieht. Mit Himbeersahnetorte und Quarkkuchen ziehen wir uns schließlich zum Gespräch in ihr Büro zurück.
„Occupy Money“ heißt das neueste Buch von Margrit Kennedy – erst kürzlich bei JKamphausen erschienen. Sie widmet es der weltweiten Occupy-Bewegung – jenen Menschen, die ihrer Frustration mit dem bestehenden Geld- und Finanzsystem öffentlich Ausdruck verleihen. Untertitel ihres Buches: Damit wir künftig ALLE die Gewinner sind. Und mit dieser Frage beginnt dann auch unser Arbeitsgespräch. Kann es das geben – eine Wirtschaft zum Wohle aller?
„Ich will versuchen, diese Frage sehr genau zu beantworten“, beginnt Margrit Kennedy. „Dazu gehört die Einsicht, dass das, was möglich ist und was wir fordern müssten, unrealistisch ist – und alles, was realistisch ist, ist viel zu klein… Ich beschäftige mich seit 30 Jahren mit dem Thema Geld und Zins – ein Thema, was jeder in 20 Minuten verstehen kann. Aus den unterschiedlichsten Gründen ist es dennoch schwer, das Verstandene dann umzusetzen. Meine Vision bleibt dennoch die Veränderung des Geldsystems, um darauf eine Wirtschaft aufzubauen, die allen dient.“
Für die 72-jährige Professorin ist Geld das Fundament der Wirtschaft. „Doch wenn allein das schon so schief, so unglücklich und ausbeuterisch konstruiert ist, kann darauf einfach keine Wirtschaft aufbauen, die dem Wohl aller folgt.“ Da spricht vor allem auch die Architektin und Ökologin. Beides ist sie von ganzem Herzen. Wie kam es eigentlich zu dieser Wandlung von der Haus-Architektin zur Geldarchitektin und Autorin? „Ich war von 1979 bis 1984 Leiterin der Forschungsabteilung Ökologie und Energie der Internationalen Bauausstellung in Berlin“, erzählt Margrit Kennedy. „Wir hatten damals viel Geld und legten in den 80igern sozusagen die Grundlagen der Stadtökologie. Während zahlreicher Vorträge im In- und Ausland stießen unsere Arbeiten auf großes öffentliches und fachliches Interesse, aber immer wieder auch auf Skepsis. Das häufigste Argument lautete: ‚Alles gut und schön, aber das rechnet sich nicht.’ Ich begegnete weltweit Menschen guten Willens und voller guter Ideen. Alle ökologischen Probleme waren technisch lösbar – was fehlte und immer noch fehlt, sind die politischen und wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Anwendung auf breiter Basis. Mir war klar, dass der Kampf ums Geld für ökologische Projekte eine Auseinandersetzung an vielen Fronten bedeutete.“
„Die Groschen fallen“ – so formuliert sie es heute selbst – 1983 bei einem Vortrag von Helmut Creutz. „Für mich war das ein Durchbruch. Erstmals begriff ich die zinsbedingte Kraft des Geldes und die Tatsache, dass sich die Rentabilität jeder ökologischen Maßnahme mit dem Zins, den man auf dem Kapitalmarkt bekommt, messen lassen muss. Ich habe damals sechs Monate gebraucht, um zu glauben, was ich verstanden hatte. Und noch viele weitere Jahre glaubte ich, dass ich diejenige bin, die spinnt.“
Alles in der Natur hört bei einer optimalen Größe auf zu wachsen. Betrachtet man die natürliche Wachstumskurve eines Baumes, eines Tieres oder eines Menschen, beginnt sie für kurze Zeit mit einem exponentiellen Wachstum, endet jedoch bei der jeweils richtigen Größe, beim Menschen ungefähr mit dem 21. Lebensjahr. „Diese Art des Wachstums ist in jeder gesunden Zelle unseres Körpers programmiert“, erläutert die Autorin. „Nun folgt das auf Zins basierende Geldsystem, das von Menschen konstruiert wurde, einem grundlegend anderen Wachstumsmuster – dem sogenannten exponentiellen oder Verdoppelungswachstum. Anfangs wächst das zinsbelastete Geld um sehr geringe Beiträge, dann aber kontinuierlich schneller, und schließlich verläuft die Wachstumskurve fast senkrecht. In der Natur findet dieses quantitative Wachstum erst mit der Zerstörung des Organismus sein Ende. Und genau nach diesem Muster verhält sich unser Geld, da sich Geldvermögen durch Zins- und Zinseszins in regelmäßigen Zeitabständen verdoppeln, bis das System zusammenbricht.“
Viele Menschen verstehen sie immer noch nicht, die destruktiven Folgen des exponentiellen Wachstums im materiellen Bereich. Das berühmte Beispiel vom Josephs-Pfennig zeigt, dass ein Geldsystem, welches auf Zins und Zinseszins beruht, nur kurz- und mittelfristig funktionieren kann. Hätte Joseph zur Zeit von Christi Geburt einen Pfennig investiert und wäre dieser von einer Bank mit durchschnittlich 5 Prozent pro Jahr verzinst worden, wäre dieser Pfennig im Jahr 2000 zum damals gültigen Goldpreis etwa 500 Milliarden Kugeln aus Gold vom Gewicht dieser Erde wert gewesen – zum Goldpreis in diesem Jahr. Das zeigt, in Form eines realistischen Symbols: „Geld frisst Welt“.
„Das Fatale ist, dass kein Mensch richtig damit Geld verdienen kann, wenn er das sagt und aufdeckt“, sagt die Architektin. „Ein Ökonom, der den Zins ins in Frage stellt, kann schon mal gar nicht Ökonomie studieren. Dem Banker geht es ähnlich. Wenn der diese Grundlage aller Modelle in Frage stellt, fliegt er am nächsten Tag raus. Unsere Fachleute gefährden also ihr eigenes Überleben, ihre Karriere, wenn sie das Geldsystem in Frage stellen. Das Paradigma ist so mächtig, sie kommen da einfach nicht durch.“
Fast alle Lebensbereiche – auch jene, die früher von der Gemeinschaft getragen wurden – hat der Mensch monetarisiert: Altenpflege, Kinderpflege, Kultur und Bildung. Nichts, was nicht Geld kostet, zum Bruttosozialprodukt gehört und ständig profitorientiert wachsen muss. „Und diese Monetarisierung ist mit einer Kälte verbunden, weil alles berechnet wird.“
Dennoch gehört Margrit Kennedy zu jenen, die niemals die Hoffnung aufgeben, dass die Probleme lösbar sind. „Ich weiß, dass ich gegen den zentralen Machtmechanismus anstänkere. Mich motiviert, dass immer mehr Leute verstehen. Die Occupy-Bewegung ist eine große Hoffnung. Wir alle gehören zum Immunsystem der Erde!“
Ein Paradigmen-Wechsel ist in vollem Gange. „Ja, kann sein, dass es an manchen Stellen ganz furchtbar krachen muss, bis wir alle aufwachen“, sagt die Alternativgeld-Pionierin. „Wir sind eine heterogene Menschheit und doch alle miteinander verbunden. Es liegt bei uns, wie lange es noch dauert. Mein Freund Jakob von Uexküll sagt immer: Ich bin weder Optimist noch Pessimist – ich bin ‚Possibilist’-  ich sehe Möglichkeiten!“
Für Margrit Kennedy ist dies die einzig vernünftige Haltung. „Mir sind die kleinen Beispiele so unendlich wichtig. Was meinen Sie, was die bewirken, diese kleinen Beispiele, die funktionieren und einen anderen Umgang mit Geld zeigen. Wir brauchen Alternativen zum herkömmlichen Geldsystem. Regionalgeld ist ein wichtiger Aspekt. Ich habe darüber ja auch ein Buch geschrieben. Und wir müssen den Segen begreifen, der im exponentiellen Wachstum im nicht-materiellen Bereich liegt…“
Das Nicht-Materielle und die wandelbare Architektin haben auf ganz eigene Weise feste Freundschaft geschlossen. Dass sie immer tiefer in das Thema eintaucht und schließlich als Nicht-Ökonomin ein Buch schreibt, das mittlerweile in 20 Sprachen übersetzt wurde, folgt nämlich offenbar ebenso einer spirituellen Dimension. Auf Drängen einer guten Freundin besucht Margrit Kennedy Mitte der 80er Jahre Seminare bei Art Reade, einem bekannten spirituellen Lehrer mit indianischen Wurzeln. „Ich wollte da nicht hin.“ Doch ihre Freundin ließ einfach nicht locker… Margrit Kennedy besucht schließlich das Basic- und Advancedseminar bei Art Reade. „In der letzten Meditation, wo es darum ging, die eigene Aufgabe in dieser Welt wahrzunehmen, sehe ich plötzlich, wie ich vor den Vereinten Nationen zum Thema Geld spreche. Da wusste ich, jetzt wird es ernst. Und ich begann ein Streitgespräch mit Gott. Ich sagte ihm, dass er das nicht machen kann. Ich hatte gerade meinen Job aufgegeben, wir waren umgezogen, hatten Land gekauft, mein Mann und ich wollten ein Permakultur-Modellprojekt aufbauen, allein würde er das nicht schaffen…. Und überhaupt, wer bin ich denn, dass ich mich mit diesem Geldthema beschäftige. Und ich sagte Gott, falls er das da oben noch nicht mitbekommen hätte: Ich bin überhaupt keine Ökonomin!“
Doch es folgt ein Erlebnis, was sie bis heute bestimmt. „Plötzlich sehe ich mein Leben in allen Einzelheiten vor mir ablaufen, in Sekundenbruchteilen: Meine Fehler, Umwege, die zwei Diplome, meine Doktorarbeit…. einfach alles. Und ich wusste ab diesem Moment, dass ich vorbereitet bin. Ich wusste es einfach. Das war heftig und völlig normal zugleich. Wohl ähnlich einer Nahtoderfahrung. Es gab keine Fragen mehr. Meine neue Richtung war klar.“
Noch in der gleichen Nacht nach dem Seminar folgt dann die Eingebung, ein erstes Buch zu schreiben.  „Ich war todmüde, wurde jedoch immer wieder aus dem Bett getrieben, einige wichtige Details auf einem Notitzblock festzuhalten. Sogar die Grafik für den Titel von „Geld ohne Zinsen und Inflation“ kommt in dieser Nacht als Idee durch. Die Krönung dann am nächsten Morgen: Ich telefonierte mit meinem Mann Declan und wollte ihm von meinen Erlebnissen berichten. Doch er sagte, ich solle bitte sofort Australien anrufen, wo eine Frau mich dringend sprechen wolle. Ich rief diese Frau an und es stellte sich heraus, dass diese gerade zwei Vorträge für die Vereinten Nationen organisierte – in Melbourne und Sidney. Sie lud mich ein, die Einleitungsvorträge zu halten…“
Diese Verbundenheit und Verbindung spürt Margrit Kennedy nun schon seit 30 Jahren.
„Ich bin jeden Tag dankbar. Ich liebe mein Leben.“
Ihr Mann Declan hat im Lebensgarten einen fünf Hektar großen Permakulturpark angelegt und im letzten Herbst 1000 Bäume gepflanzt. „So haben wir unser Geld angelegt.“
„Wir müssen uns auf Durchbrüche im Denken und auf mentaler Ebene vorbereiten und uns auf neue Formen von Beziehungen einlassen. Ich empfehle Menschen, ihr Geld gern auszugeben für alles, was sie und andere bereichert: Kunst, Kommunikation, Vielfalt in der Natur und im Geistleben. Damit schaffen wir mehr Schönheit und Gerechtigkeit.“
Und wenn dann noch etwas Geld für Schuhe übrig bleibt…. Für die hat Margrit Kennedy nämlich eine bekennende Schwäche.
Am Ende unseres Gespräches frage ich nach konkreten Tipps, wie wir alle ein nachhaltiges Leben jetzt und sofort gestalten können. Und fröhlich antwortet die Lebensgärtnerin: „Wir organisieren hier gerade ein Tanzfest. Freude und Freundschaften sind wichtig – Leute, mit denen man etwas schaffen und sich austauschen kann. Auch empfehle ich, einen biologischen Bauernhof zu finden, den man unterstützen möchte, ein solides Fahrrad zu kaufen und wenn möglich, einen Brunnen zu bohren. In diese Richtung würde ich investieren.“
Bücher, Videos und Präsentationen von und über Margrit Kennedy unter

Der Andersmacher

Heini Staudinger.

Meine persönlichen Fragen an Heini Staudinger, Visionär, Gemeinwohlökonom, Unternehmer und Gründer des erfolgreichen Schuh- und Möbelunternehmens GEA im Waldviertel, Österreich. Im Laufe unseres Gespräches zitiert Heini ein Rilke-Gedicht. So berührend, dass mir, während er spricht, die Tränen laufen. Ist mir noch nie passiert bei einem Telefon-Interview. Ich muss kurz unterbrechen, um mich zu fangen – so tief bin ich innerlich von seinen Worten bewegt. Auch aus diesem Grunde ein unvergessliches Erlebnis. (Das Interview erschien im ZUFALL – Das Wirtschaftsmagazin mit Herz., Ausgabe April/Mai 2012)

Wofür ist die Zeit reif?
Heini: Ich glaube, unabhängig von allen Zeiten gibt es für das Hier und Jetzt auf unserer Lebensreise immer eine Chance. Allgemein wünsche ich mir in dieser Zeit, dass der Wahnsinn zu Ende geht – dieser den Menschen und die Natur verachtende Konsum-Unsinn.
Wie stellst du dir den Unternehmer des ausgehenden 21. Jahrhunderts vor?
Heini: Ein guter Unternehmer schaut, dass es der Firma insgesamt gut geht, dass sie Teil eines größeren Ganzen ist. Er ist sich bewusst, dass es wichtigere Werte als Geld gibt.
Was tust du am liebsten mit deinem Geld?
Heini: Für mich ist es ein Luxus, dass ich vor etwa neun Jahren mein Privatgeld aufgegeben habe. Ich habe kein privates Konto, kein Sparbuch. Wenn ich etwas Geld brauche, dann gehe ich ins Geschäft, nehme etwas Geld aus der Kasse und lege einen Zettel mit „Danke, Heini!“ zurück. Das Teuerste, was ich mir in letzter Zeit geleistet habe, war meine Brille. Das ist cool, dass ich dafür Geld habe, denn ich lese gern.
Woran misst du Erfolg bei dir und anderen Menschen?
Heini: Erfolg ist für mich, wenn gemeinsam etwas glückt. Und dazu gehören Gemeinschaftsfähigkeit, Nicht-Verzagtheit und die Fähigkeit zum Mutmachen.
Vor welcher Leistung deiner Mitmenschen hast du den größten Respekt?
Heini: Wenn jemand in seinem Denken und Handeln gar nicht mehr den eigenen Vorteil sucht.
Wie bleibst du deinen Prinzipien treu?
Heini: Mit einem bescheiden gestalteten Alltag… Für mich ist es eine große Hilfe, dass ich das mit dem Privatgeld aufgegeben habe. Wenn kein vordergründiges Interesse mehr besteht, das Privatvermögen zu vermehren,  ist es wesentlich einfacher, sich ehrlich zu fragen, was hier und jetzt einen Sinn macht.
Dein Rat an Menschen, der hilft, das Leben besser zu meistern…
Heini: Ich habe fünf Thesen für Mutige: 1. auf die innere Stimme hören; 2. Naivität, das heißt, beim ersten Schritt nicht zu hoffen, das Ziel schon zu kennen; 3. fürchte dich nicht vor dem Alleinsein; 4. frage dich, was dich abhält, das zu tun, was du schon immer tun wolltest und 5. Spring, bitte! Dazu ein Rilke-Gedicht:
Der Panther.
Sein Blick ist vom Vorübergehn der Stäbe/
so müd geworden, dass er nichts mehr hält./
Ihm ist, als ob es tausend Stäbe gäbe/
und hinter tausend Stäben keine Welt./
Der weiche Gang geschmeidig starker Schritte,/
der sich im allerkleinsten Kreise dreht,/
ist wie ein Tanz von Kraft um eine Mitte,/
in der betäubt ein großer Wille steht./
Nur manchmal schiebt der Vorhang der Pupille/
sich lautlos auf -. Dann geht ein Bild hinein,/
geht durch der Glieder angespannte Stille/
und hört im Herzen auf zu sein.
Dieses Gedicht trug mein Freund Reinhold bei sich als er sich 1980 das Leben nahm. Reinholds Botschaft an die Lebenden wäre wohl gewesen: Spring! Spring über die Stäbe. Aus der Kraft der Mitte. Spring, bitte!