Steve Schapiro

Steve Schapiro.
Zwei coole Wochenendereignisse: Caroline und Joshua zu Besuch aus Berlin + Retrospektive von Star-Fotograf Steve Schapiro in Kunsthalle Rostock. Er hat sie alle fotografiert: Kennedy, Muhammd Ali, Martin Luther King, Tina Turner, Magritte…. Wir also gleich mittags rein ins Auto=>HRO. Die Dame an der Kasse: „Tut mir leid. Die Ausstellung ist noch nicht fertig, Eröffnung ist erst heute Abend.“ Shit! Hatte ich nicht dran gedacht. Wir mit hängenden Schultern und Hundeblick: „Bitte! Machen Sie eine Ausnahme!“ Die Dame kopfschüttelnd: „Ich darf sie nicht reinlassen.“ Wir: „Bütte, bütte…..!“ Sie: „Der Chef ist nicht im Hause, ich kann nicht….“ Wir: „Oh bitte, bitte, bitte, bitte!“ Dann eine völlig unerwartete Wende! Die Frau an der Kasse sagt: „Ok. Das kann jetzt nur der Künstler selbst entscheiden. Fragen Sie Herrn Shapiro. „Hä???? „Wie jetzt?“ Sie: „Er sitzt nebenan im Bistro und isst zu Mittag. Fragen Sie ihn. Wenn er ja sagt, lass ich sie rein.“ Wir völlig baff und zugegeben etwas kleinlauter: „Ooookeee….!“ Ich stoß Caro an: „Los, frag du ihn. Du sprichst besser Englisch.“ Sie: „Ich trau mich nicht….“ Kurzes Hickhack, ablachen, Mut fassen, durchatmen….“ Wir also ins Bistro und fragen Steve Schapiro, ob wir vor Eröffnung in seine Ausstellung dürfen. Seine Antwort: „Yeah..s, of course. Have Fun!“ Cooool! Später folgt der Meister nach, schaut sich um, macht einige Fotos und legt sich dann zum Mittagsschläfchen mitten in seine Ausstellung. Da habe ich dann abgedrückt… 

ich mag es
wie du die stirn
runzelst
in meinem schoß
liegt dein kopf
nachdenklich über
den tag
wie ein tautropfen legt sich
dein atem
in das nest
zwischen meinen beinen
baust du eine höhle
warm und feucht
kommt die nacht über
deine stirn ist
jetzt ganz weich

an das du (für éva und steve, 2002)
du
ich hänge
an deiner liebe
und mich schließlich
an ihr auf
mit einem schwur
der ewig webt
zwischen uns
du
ich werde aus
diesem band
ein herz legen
und doch birgt
jede form auch schon
die schlinge
du
ich verliere den boden
unter den füßen
und während ich
an dir
zu grunde gehe
taucht irgendwo
ein licht
auf

Der Weg des Bogens

Was ist Führung? Wer führt wen? Und wann geschieht Loslassen? Das Bild eines Bogenschützen taucht unweigerlich in mir auf. Nicht nur der Konfuzianismus lehrte das Bogenschießen als geeignete Form zur Bildung der vollkommenen Persönlichkeit. Die schlichte Eleganz der Bewegungen, die Schönheit des Bogens und der Pfeile und die Atmosphäre von Ruhe und Würde, die in einer Übungsstätte herrscht, üben eine große Faszination auf diejenigen aus, die den Pfad der Selbsterkenntnis gehen möchten. Denn der Antritt der Wanderung auf dem Pfad des Bogenschießens ist zugleich der Antritt zur Reise der Erkenntnis, auf der man lernt, mit einem neuen Augenpaar zu sehen und mit neuen Ohren zu hören. Hier betreten wir auch den Pfad des Führens und Loslassens.
Der arabische Dichter Kalil Gibran war es, der von den Kindern schrieb und uns ebenfalls tief in das Bild von Pfeil und Bogen eintauchen lässt: „…ihr seid die Bogen, von denen eure Kinder als lebende Pfeile ausgeschickt werden. Der Schütze sieht das Ziel auf dem Pfad der Unendlichkeit, und er spannt euch mit seiner Macht, damit seine Pfeile schnell und weit fliegen. Laßt euren Bogen von der Hand des Schützen auf Freude gerichtet sein;
Denn so wie er den Pfeil liebt, der fliegt, so liebt er auch den Bogen, der fest ist.“

Führung heißt in der Gegenwart stehen, nichtwertend wahrnehmen. Tun im Sein. Die Aufgaben zur achtsamen Führung anderer sind: Präsenz, Wertschätzung, Mäßigung, Gelassenheit und Mitgefühl.

Markus Bolli ist ein erfahrener Bogenschütze. Der Chan Priester, Kampfkunstlehrer, Coach, Trainer und Unternehmensberater lebt in der Schweiz.  Er ist Mitautor und Miterfinder der KOBO Philosophie und der KOBO Managmentlehre – eine intensive Betrachtung integraler Wirtschaftssysteme – zu deren Essenzen nach sechs Jahren Forschung jetzt ein Buch erscheint.

Was sind seine Erfahrungen zum Thema Loslassen?
„Loslassen kann sich nur derjenige erlauben, welcher ursächliche Kontrolle über sein Tun, sein Denken und sein Handeln hat“, sagt Markus.
„Dazu muss jemand verstehen, sein ‚Controlling Board‘ bezüglich etwas (irgend etwas im Beruf, Aufgaben, Projekte, Familie, Partner, Freunde, Sportverein etc.) angemessen bedienen zu können, welches aus unterschiedlichen Möglichkeiten von START – BEWEGEN – STOPPEN in aktiv bejahend, aktiv verneinend, passiv bejahend und passiv verneinend besteht. Immer im richtigen Moment den richtigen Drücker drücken. Klingt simpel – ebenso simpel wie ‚loslassen‘ – ist es aber nicht. Ich nenne es auch die Klaviatur des ursächlichen Lebens. Je professioneller jemands in etwas ist, desto leichter gelingt ihm dieses etwas – und es macht ihn und andere glücklich. Ein Profi ist ein Künstler, denn es kommt von Können – ganz im Gegensatz zum Wünstler, der einfach nur immer gerne wollen würde – zum Beispiel loslassen.
Wie beim Bogenschiessen. Blind Bogenschiessen ist nicht die Tätigkeit, mit verbundenen Augen einfach herumzuballern – das kann jeder. Blind Bogenschiessen heißt, dass man als Konsequenz der eigenen Professionalität auch blind schießen UND treffen kann.
Führen durch Loslassen macht erst dann Sinn, wenn jemand so professionell in dem was er macht – also im Führen – ist, dass er wirklich loslassen kann. Das ist ein Widerspruch in sich! Denn wenn jemand so professionell ist, dass er loslassen könnte, dann hat er schon längst losgelassen. Das Loslassen ist eine Konsequenz aus Professionalität, eine Folge – jedoch nie die Ursache.
Wenn einer also die ursächliche Kontrolle ausüben kann, dann lässt er automatisch los. In diese Richtung funktioniert das, aber nicht in umgekehrter Richtung – nur weil jemand loslässt, wird er nicht zum besseren Führer. Führerschaft erlangt jemand nur, wenn er die Steuermannskunst (bestehend aus systemtheoretischen Ordnungsprinzipien und kybernetischen Handlungsoptionen) und die Führerschaft (bestehend aus den vier Kernkompetenzen Aufgaben handhaben, Einheiten leiten, Prozesse lenken und Menschen führen) und die Grundprinzipien des Verstehens des Menschen, (erfüllen von Information, Commitment, Zuwendung und Authentizität) erlernt und in jeder Lebenslage auch beherrscht, das heisst, er weiß auf jegliche Situation ursächlich zu sein, selbst wenn er den anderen die Entscheidung überlässt (z.B. in der Lage sein, etwas nicht zu Stoppen).
Es ist exakt wie beim Bogenschiessen: erst nach so 20 Jahren inständigen Übens kann man den Pfeil so loslassen, dass er immer trifft. Aber nur Loslassenkönnen macht keinen guten Schützen aus.
Nun, der Mensch neigt dazu, gerne etwas faul zu sein. Er sucht den einfachsten Weg. Er sucht sich einen Lehrer, der ihm für 1000 Euro den schwarzen Gürtel überreicht und ein Zertifikat schreibt, dass er jetzt unverletzlich sei. Das ist ganz modern und passiert fast täglich. So figurieren auch Ideen herum, dass ‚man nur loslassen muss, dann fügt sich schon alles‘. Aber so funktioniert das nicht. Das Erlangen einer Kunstfertigkeit ist immer und NUR die Konsequenz von fleißigem, ehrlichem und authentischen Tun. Kein Muskel bildet sich, nur weil die Hantel angeschaut wurde. FAZIT: Also erst schwitzen, dann loslassen.“
Der Schriftsteller Paulo Coelho, selbst ein guter Bogenschütze, erzählt in seiner Parabel „Der Weg des Bogens“ die Geschichte von Tetsuya, dem besten Bogenschützen des Landes, der seine Lehren an einen Jungen seines Dorfes weitergibt. Eine Perle der Weisheit mit phantastischen Analogien für führende Kräfte. Hier einige Auszüge:
Der Bogen
Der Bogen ist das Leben: Aus ihm heraus kommt alle Energie. Der Pfeil wird eines Tages davonfliegen. Das Ziel ist weit weg. Aber der Bogen wird immer bei dir sein und du musst wissen, wie man ihn pflegt. Er braucht Ruhezeiten – ein Bogen, der immer mit einer Sehne versehen ist, immer unter Spannung steht, verliert seine Kraft. Daher lass ihn sich erholen, wieder Festigkeit gewinnen: Dann wird er, wenn du die Sehne spannst, zufrieden sein und seine Kraft unversehrt bleiben. Der Bogen hat kein Bewusstsein: Er ist die Verlängerung der Hand und des Wunsches des Bogenschützen. Er dient zum Töten und zum Meditieren. Daher sei immer klar in deinen Absichten. Ein Bogen ist biegsam, aber er hat auch seine Grenzen. Eine Belastung über seine Möglichkeiten hinaus wird ihn brechen oder die Hand erschöpfen, die ihn hält. Daher versuche, mit deinem Bogen in Einklang zu stehen und verlange nicht mehr von ihm, als er dir geben kann. Ein Bogen ruht in der Hand des Schützen oder ist gespannt: aber die Hand ist nur der Ort, an dem alle Muskeln des Körpers, alle Absichten dessen, der schießt, alle Kraftanstrengung für den Schuss konzentriert sind. Daher halte den gespannten Bogen mit Eleganz, mache, dass jeder Teil deines Körpers nur das Notwendige gibt und vergeude deine Energien nicht. So kannst du viele Pfeile abschießen, ohne zu ermüden.
Der Pfeil
Der Pfeil ist die Absicht.  Er ist das, was die Kraft des Bogens mit dem Mittelpunkt der Zielscheibe verbindet. Die Absicht muss kristallklar, geradlinig, gut ausgewogen sein. Ist der Pfeil einmal abgeflogen, kommt er nicht mehr zurück, daher ist es besser, einen Schuss abzubrechen, wenn die Bewegungen vorher nicht präzise und korrekt waren, als irgendwie zu schießen, nur weil der Bogen
bereits gespannt war und das Ziel wartete. Lasse nie einen Pfeil los, falls das einzige, was ihn lähmt, die Angst ist, das Ziel zu verfehlen. Wenn die Bewegungen korrekt waren, öffne deine Hand und lasse die Sehne los. Auch wenn der Pfeil das Ziel nicht erreicht, wirst du seine Treffsicherheit das nächste Mal zu korrigieren wissen. Wenn du nichts riskierst, wirst du nie wissen, was du das nächste Mal anders machen musst. Jeder Pfeil läßt in deinem Herzen eine Erinnerung zurück – und die Summe dieser Erinnerungen wird dich jedesmal besser schießen lassen.
Das Ziel
Das Ziel ist das, was getroffen werden soll. Es wurde vom Bogenschützen ausgewählt, ist aber weit weg, und wir dürfen ihm nie die Schuld daran geben, dass es nicht getroffen wurde. Darin liegt die Schönheit des Weges des Bogens: Du kannst dich nie damit herausreden, dass der Gegner stärker war. Du hast das Ziel ausgesucht und bist dafür verantwortlich. Das Ziel kann größer oder kleiner sein, kann rechts oder links liegen, aber du musst dich immer vor ihm aufbauen, ihm Respekt bezeugen und es im Geiste heranholen. Erst wenn es sich auf der Spitze des Pfeils befindet, darfst du die Sehne loslassen. Wenn du das Ziel als deinen Feind ansiehst, wirst du es womöglich treffen, aber es wird dir nicht gelingen, etwas in dir selber zu verbessern. Du wirst dein ganzes Leben damit verbringen, nur den Pfeil in den Mittelpunkt eines Gegenstands aus Papier oder Holz zu rammen, was vollkommen nutzlos ist. Und wenn du mit anderen Menschen zusammen bist, wirst du dich ständig darüber beschweren, dass du nichts Interessantes tust. Daher musst du dein Ziel gut auswählen, dein Bestes geben, um es zu erreichen und es immer mit Respekt und Würde betrachten: Du musst wissen, was es bedeutet und wieviel Kraft, wieviel Übung und wie viel Intuition es dich gekostet hat.
Die Haltung
Hast du den Bogen, den Pfeil und das Ziel begriffen, sind Gelassenheit und Eleganz vonnöten, um Schießen zu lernen. Die Gelassenheit kommt aus dem Herzen. Die Eleganz ist erreicht, wenn alles Überflüssige abgelegt wird und der Bogenschütze die Einfachheit und die Konzentration entdeckt: Je einfacher und sparsamer die Haltung ist, desto schöner ist sie. Der Schnee ist schön, weil er nur weiß ist, das Meer ist schön, weil es wie eine glatte Oberfläche wirkt – aber das Meer wie auch der Schnee sind tief und wissen um ihre Eigenschaften.
 Die Arbeit von Markus Bolli findet ihr unter www.sangmu.ch