Die Spinnerinnen kommen

Gerade neu im Sanddorn-Verlag erschienen: Band 1.

Puhhh! Ich weiß gar nicht, wo ich beginnen soll. Ich möchte dir von einem Buch erzählen und noch viel lieber möchte ich dir von Menschen erzählen, deren Erfahrungen, Wünsche, Träume und Reisen dir in diesem Buch begegnen werden und am allerliebsten möchte ich dir von Annette erzählen, einem der verrücktesten Weibsbilder, dem ich je begegnet bin. Verrückt im Sinne von geradlinig und wahrhaftig: schön, wild, weise, bienenfleißig und zuverlässig. Ohne Annette gäbe es das Buch nicht, von dem ich dir heute erzählen möchte. Anders: Weil es Annette gibt, gibt es seit letztem Vollmond ein Buch mehr in der reichen Weltenbibliothek. Und weil es das Buch gibt, schreibe ich diese Zeilen, die du jetzt liest. Und weil du meine Zeilen liest, wird etwas geschehen. Du wirst sehen. Die Geschichte geht nämlich weiter. Sie kann gar nicht enden, weil alles miteinander verwoben ist. Genau davon kündet dieses Buch. Es heißt: Die Spinner:innen. Es ist ein Gemeinschaftsprojekt, ein Netzt voller Geschichten und Bilder. Ich verspreche dir: Wenn du eintauchst, wirst du bezaubert, belesen, bewundert und beseelt. Klingt dir zu abgehoben? Ok, warte, dann lass mich dir zunächst etwas zu Annette erzählen. Etwas, das sicher gut erdet.

Annette und ich haben uns per „Zufall“ kennengelernt. So hieß ein Magazin, das Wirtschaft und Spiritualität zu verbinden sich zur Aufgabe gemacht hatte. Ich leitete das Autorenteam, Annette war unsere Grafikerin. Das war 2012. Ein Jahr später gingen wir gemeinsam auf Wanderschaft. Wir trafen uns auf einer Alm im Kleinwalsertal mit anderen Gleichgesinnten zu einem Seminar. Naturverbundenheit, Körperarbeit, Satsang und gemeinsames Kochen standen im Mittelpunkt. Die Woche stand übrigens streng unter dem Motto: Go vegan! Und so erinnere ich mich, dass wir eines Nachmittags nach mehrstündiger Bergwanderung eine Rast einlegten, mit 20 Leuten in eine Berghütte einfielen, sich alle über Kräutertee und Gemüsesuppe hermachten und Annette erstmal heiße Würstchen mit Senf bestellte.

Nein, Angepasstsein ist nicht ihr’s. Sie nennt es „das Monster“. Ebenso die Erwartung an andere, die oft unausgesprochen bleibt, unterschwellig wirkt und manipuliert. „Das ist Gift!“, sagt die wilde schöne Geschichtenerzählerin  mit den riesigen Adler-Schwingen als Tattoo über ihrem Herzen. Fragst du sie danach, antwortet Annette mit einem Lied: Fly…

„Mit dieser Melodie bekommt mein Adler auf der Brust seine Flügel“, summt Annette . In einem Hotel in Istanbul sind die beiden 1978 buchstäblich schon einmal rausgeflogen. Ist lange her. Damals waren Tattoos, gerade bei Frauen, noch `ne harte Nummer.

„Aber das war mir scheiß egal“, erinnert sie sich. „Ich lieb meinen Adler! Der trägt mich! Und er hat `ne saumäßige Kraft!“

Annette webt und filzt auch individuelle Geschichten-Tücher.

Die pulsiert auch in Annette. Eine kraftvolle Mischung aus immer währendem Forschergeist, dem Willen zum Tun, schonungsloser Offenheit, Gauklerei und Spielfreude. Die Liebe zu ihren beiden Hunden, zu Bäumen, Steinen, Bergen, Seen, Sonne, Mond und ihrer roten Clownsnase ist ihre Medizin. Trägt Annette ihr weites Herz auf der Zunge, kann’s schon mal herzhaft rotzig werden. Für Scheinheiligkeit hat sie nur eines übrig: Verachtung.

Hier kommt mir eine weitere amüsante Erinnerung in den Sinn. Hin und wieder gab es auf unseren Wanderungen Menschen, die meinten, mit Feen und Elfen in Kontakt zu sein. Annette rollte dann gern mal mit ihren braunen Augen. Heute schmunzelt sie darüber. „Ja, ich hatte so etwas wie eine Engel-Allergie“, gibt sie lachend zu. „Ich entschuldige mich ganz offiziell bei allen Engeln, Feen und Elfen. Der Kontakt zum kleinen Volk ist eine sehr kostbare Sache.“

Mit einem Seminar auf Schloss Glarisegg  beginnen sich 2018 die Segel in Annettes Leben nochmal neu auszurichten. Wenige Monate später sitzt sie mit 30 anderen Frauen bei Susann Belz am Feuer, besucht vier Jahre deren Schule „Woman and Earth“.

Geschichtensammlerin mit Schweinskopf-Baumscheibe.

„Der Kreis ist die Lehrerin!“, lernt sie bei der bekannten Schamanin. Diese intensive Heil- und Bewusstseinsreise wirbelt vieles auf. Jetzt beginnen auch ihre Spirits verstärkt zu ihr zu sprechen. Annette trommelt, singt, filzt, feuert, flammt, schreit, lacht, weint, sucht und findet. „In vielen meiner Reisen mit der Absicht, zu erforschen, was meine Seelenaufgabe ist, bekam ich als Antwort, ich solle einen Ritualplatz richten, ein großes Netz spinnen. Ich richtete und schmückte einen Platz in meinem Garten, ich spann und webte ein großes Netz über den Platz, aber meine Spirits wollten mehr.“

Die Idee zu einer eigenen Internetseite nistete sich in ihrem (Sp)-Inneren ein. Als Gestalterin für Print und Webdesign schlug dazu ihr Herz selbstbewusst und immer wilder. „Außerdem hatte ich große Lust, Menschen und ihre Schätze zusammenzuführen. Nur Miteinander kann etwas Neues entstehen.“ Das war die Vision. (Einen eigenen Verlag hatte sie bereits 2009 mit ihrem Mann Peter Indergand gegründet.)

So entstand das Spinnerinnen-Netzwerk. Schau mal hier: http://www.spinnerinnen.ch

Ich erinnere mich noch gut an die helle Freude meiner Freundin zur Wintersonnenwende 2020. Am 21. Dezember ging Annettes Web-Seite begleitet von einer einmaligen Jupiter-Saturn-Konjunktion, Lagerfeuer und Trommelschlägen feierlich an den Start. Bei der Taufe (damals nur online möglich) waren Menschen aus Deutschland und der Schweiz dabei. Seither wächst diese Plattform, bietet Raum für Austausch, altes und neues Wissen, Seelennahrung, Heilendes, Schräges, Kunst, Handwerk, Naturverbundenes, Kreatives.

Und vor wenigen Tagen nun eine erneute Geburt. Das Weltenlicht fällt auf ein Buch: blutrot und leuchtend sein Einband. Damit nicht zu übersehen. Das Bild auf dem Cover erinnert an Schoßkraft, Wildheit, heilige Geometrie, Instinkt, Feuer und Anderswelt. Viele Begebenheiten, Zufälle und Synchronizitäten haben dabei der Künstlerin Brigitte Meßmer in die Hände gespielt. Das Bild spricht Bände. In Band 1 haben zunächst sechszehn Spinner:innen ihre Geschichten eingewebt: Heilerinnen, Botschafterinnen, Königinnen, Amazonen, Mütter, Töchter, Geliebte. Fünfzehn Frauen und ein Mann.

Ursula Walser-Biffiger schreibt in ihrem Klappentext: „Schräg, unkonventionell und undogmatisch, sachlich und humorvoll, leichtfüßig und tiefsinnig öffnen sich auch Themen wie Sexualität und das Mysterium der Seele. Da geht es sowohl um das Ureigene als auch um das Große Ganze. Auch darum geht es in diesem Buch: Werden und Vergehen, Aufbruch und Innehalten, Fülle und Leere, Licht und Dunkelheit. Dieser jahreszeitliche Rhythmus ist ein Spiegel für unseren eigenen Lebensweg – im Äußeren wie auch im Inneren. Die Natur ist unsere beste Lehrmeisterin und wir erfahren: mit Wurzelkraft kann Vertrauen gewonnen, können lebensbejahende Perspektiven entwickelt und im Alltag umgesetzt werden.“

Ich mag das Buch. Es liegt seit Stunden in meinem Schoß. Manchmal streichel ich seine Seiten, bin berührt und lächele. Sein Lesebändchen wandert wie ein roter Faden durch die Seiten. Es sind auch die verschiedenen Seiten meiner Seele.

Ja, ich empfehle es von Herzen. Vor allem euch, meinen mutigen irdischen Schwestern!

Es wird euch erinnern. Die Reise hat längst begonnen. Weben wir ein großes Netz. Eines, das trägt.

Buchbestellung über http://www.sanddorn-verlag.ch

Geplantes Wunder

Es war einmal ein blauer Planet
über dem schwebte von Beginn an
ein schwerer düsterer Magnet.
Sein Gitter zog alles in seinen Bann –
sowohl das Weib als auch den Mann.

Das brachte Leid und viele Sorgen.
Es gab auf die Mütze
als gäb’s kein Morgen.
Mit Gut und Böse währte kein Halten
alles Leben unterlag diesem ewigen Spalten.

Doch dann eines Nachts…. so munkeln die Spinnen
hat sich
so völlig krass von innen
ein Wunder in alte Risse geschoben
und das irdische Spiel
kosmisch angehoben.

Dieses Wunder war schon lang auf seiner Reise,
deshalb gebildet und ganz schön weise.
Weder trug es Kleider,
ward nicht groß noch klein,
dies ist eh nie gewesen ein Maß
im heiligen Sein.

Es hat sich bei seiner Ankunft auch nicht verbündet
oder schnell noch einen Verein gegründet.
Es wirkt einsame mit all seiner Macht
und dabei gleichwohl wie eine Feder so sacht.

Du fragst, was genau das Wunder hat vollbracht?

Nun, es hat gelassen geschaut,
sich vor allem selbst getraut –
mit Spucke verbunden die alten Wunden,
alles mit einem Segen bedacht,
jede Ecke damit schön sauber gemacht
und am Ende laut und herzlich gelacht.

So konnte etwas Verrücktes geschehen:
Es ward jetzt Lichte statt Dichte.

Ja, manchen Wesen tat das Neue sehr weh und einige sagten:
„Boah, nix für mich hier, ich geh!“
P.S. Die, die bleiben wollten, fanden das übrigens voll ok.

So erfüllt sich der Plan von der magischen Hülle
und niederkam jüngst
eine mächtige Fülle.

Ich sag’s euch , so ein Wandel ist nicht ohne
sowohl für Mensch als
auch für die Bohne.
(Und vielleicht meint letzteres ja auch des Vaters Samen-Sohne.)

(Berlin, 11.3.2022 – bei Sonnenschein und einem Grinsen im Gesicht)

Sag Ja zum Nein

Die Basis eines guten Selbstwertgefühls ist die Fähigkeit, nein zu sagen, wenn wir nein meinen. Selbstliebe und die Liebe zu anderen beginnt mit der Kunst der gesunden Abgrenzung, denn das Nein zu dem, was für uns nicht stimmt, ist das Ja zu uns selbst. Ich habe am Wochenende eine ganz und gar unvollständige Nein-Liste (Download hier oder siehe im Anschluss an den Beitrag) zusammengeschrieben, die meine Leser inspirieren möge. Wozu? Nicht zu allem „Ja und Amen“ zu sagen. Du kannst die Liste kürzen, erweitern, umschreiben. Nimm dir, was zu dir passt. Den Rest hau‘ hinten rüber. Die Frage “Ich oder der andere zuerst?” braucht nämlich eine entschiedene Antwort –  ansonsten können wir jeden echten persönlichen Fortschritt vergessen, egal wie wir uns sonst ins Zeug legen, in uns „putzen und aufräumen“. Ganz einfach, weil in dieser Antwort unsere eigene Kraft liegt. Entweder wir nehmen sie zu uns oder wir geben sie ab. Je mehr wir auf Bestätigung im Außen schielen, je mehr wir anderen die Macht zugestehen, darüber zu entscheiden, ob wir doch irgendwie ok und liebenswert sind, desto schwächer und ohnmächtiger fühlen wir uns. Unser Potential ist gebunden. Erst, wenn wir das Nein gleichberechtigt und bewusst integriert haben, spüren wir wieder ganz konkret, wo zum Beispiel Rücksicht angebracht ist oder Rebellion oder Sinn für Humor oder lebendiger Zorn oder wo hundert Prozent Gradlinigkeit den anderen vielleicht überfordern würde. Ja, dann erst fühlen wir wahrhaft mit. Wer ohne Scham, Schleimerei und schlechtes Gewissen nein sagen kann, muss sich nicht mehr verbiegen. Er ist in Kontakt mit sich und seiner inneren Wahrheit und Würde. Einer meiner wichtigsten Sätze, die ich in den letzten 24 Stunden gelesen habe, lautet: “ Integrierte Aggression ist einfach Klarheit.“ Warum er für mich so wichtig ist? Weil immer, wenn ich mich verbogen habe – aus Angst, nicht zu genügen oder andere zu enttäuschen – sich früher oder später Frust und Aggression durch mich manifestiert haben. Ich wurde unzufrieden, launisch und wütend, habe verletzende und grobe Sachen gesagt, nicht mehr zugehört, Türen geknallt, Sachen zerschmissen und gehörig Dampf abgelassen. Heute weiß ich, dieser Dampf waren all die faulen Kompromisse, denen wohl jeder Mensch auf seinem Weg begegnet. Es waren all die verpufften Gelegenheiten zur Selbstliebe. Die einen reagieren mit Dampf, andere mit Rückzug und Depression. Manche Menschen lachen, wenn ihnen eigentlich eher zum Heulen zumute ist und wieder andere ziehen sich gewohnheitsmäßig Alltagsdrogen rein… Wir alle haben Mittel und Wege gefunden, die Leere in unserem Inneren zu kompensieren. Hingegen immer dann, wenn wir eine klare Entscheidung treffen, wenn wir uns quasi selbst definieren, Position beziehen, uns ausrichten…. weitet sich unsere Perspektive, unser Potential und unser Herz. Auch das bedeutet erwachen. Erwachen für den Weg der Heilung. Und wem das verbal schon zu heilig ist…. Es gibt einen herrlichen Spruch von Marc Allen, der einmal trefflich sagte: „Lass den Scheiß und mach, was dran ist!“ Fühlt sich gut an, oder?! Will sagen, ein authentisches Nein zu Blödsinn und Gewohnheit, kann enorm helfen, den Boden unter den eigenen Füßen wieder zu spüren. Nährboden. Endlich. Ja.

Meine (unvollständige) Nein-Liste

Was ich nicht mehr mache…

  • Mich abhetzen.
  • Morgens aus dem Bett springen. Ich lasse mir Zeit, die ich brauche, um den Tag ruhig und entspannt zu beginnen.
  • Ohne Haustiere leben.
  • Kompromisse schließen zu Lasten meiner Bedürfnisse, um mit jedem Frieden zu halten.
  • Fleisch essen.
  • Meinem kritischen Verstand alles glauben, was er mir als vermeintliche Wahrheit verkauft.
  • Mit Leuten streiten, die debattieren als Sport betrachten.
  • Meine Kreditkarten einsetzen, sofern ich die Abrechnung nicht vollständig zum Monatsende begleichen kann.
  • Etwas, was ich nicht mag oder brauche, bei mir zu Hause aufbewahren.
  • X-mal am Tag meinen Facebook-Account checken.
  • Den Mund halten, wenn jemand sich daneben benimmt.
  • Im Sommer Schuhe tragen, wenn barfuß laufen schöner ist.
  • Über Regen und schlechtes Wetter motzen.
  • Zu Events gehen, bei denen stundenlang nur sinnlos geschwatzt wird.
  • Klatsch tolerieren oder daran teilnehmen.
  • Aus Bequemlichkeit Fastfood essen, statt Zeit zu investieren, mir bewusst, ein gutes Mahl zu bereiten.
  • Mit schwierigen Lebenssituationen allein fertig werden.
  • Jemanden engagieren – sei es ein Anwalt, ein Arzt, ein Gesundheitsdienstleister oder was/wer auch immer, der mich respektlos behandelt.
  • Während der Mahlzeiten Telefonate annehmen.
  • Verbale Übergriffe von einem Vorgesetzten oder Mitarbeiter hinnehmen.
  • Zur Arbeit gehen, wenn ich krank bin.
  • Meine Meinungen für mich behalten, wenn sie mit denen der anderen im Raum nicht übereinstimmen.
  • Mir von sozialen Normen diktieren lassen, wofür ich mich interessieren sollte, sei es Kleidung, Essen, Kunst, Musik und dergleichen. Ich mag das, was ich mag.
  • Zeit in Beziehungen investieren, die nicht damit harmonieren, wer ich bin und wer ich sein will.
  • Nicht sinnvolle Verpackungen in Restaurants, Geschäften etc. akzeptieren.
  • Bücher, an denen ich die Lust verloren habe, zu Ende lesen.
  • Werbepost mit ins Haus nehmen (vor meiner Tür steht eine Papiertonne).
  • Mich verpflichtet fühlen, Zeit mit Familienmitgliedern oder Freunden verbringen, die sich für ein dauerhaft chaotisches, uninspiriertes oder langweiliges Leben entschieden haben.
  • Mich schlecht dabei fühlen, Nein zu sagen, wenn ein Nein das Beste für mich ist.
  • Im Geiste bei der Arbeit verweilen, wenn ich nicht arbeite.
  • Mir von Fernsehsendern vorschreiben lassen, wann ich meine Lieblingsshows ansehen soll (es gibt Mediatheken oder die Möglichkeit, Sendungen aufzuzeichnen).
  • Mein E-Mail-Programm auf den automatischen Empfang neuer Nachrichten einstellen. Ich entscheide, wann ich meine Mails bekomme.
  • Kleidungsstücke aufbewahren, von denen ich hoffe, dass sie mir „irgendwann“ passen.
  • Irgendwas wegwerfen, was recycelt werden kann.
  • Autos kaufen, die nicht treibstoffsparend sind.
  • Zeit mit Leuten verbringen, die zu mir reden statt mit mir.
  • Die Gefühle anderer wichtiger nehmen als meine eigenen.
  • Diskutieren statt konsequent handeln und umsetzen.
  • Die Schuld bei anderen suchen.
  • Männern (vor allem im Business) für verantwortliche Positionen den Vortritt lassen.
  • Annehmen, dass – nur wenn ich perfekt funktioniere, ich Anerkennung und Lob verdiene.
  • Mich in Dramen anderer Menschen verwickeln.
  • Einem äußeren Guru folgen.
  • Dinge, die mir gut tun, auf die lange Bank schieben.
  • Mir Sorgen um das liebe Geld machen. (Sorgen hat man nicht, man muss sie sich schon machen.)
  • Zu glauben, wenn ich zuerst an mich denke, wäre das egoistisch.
  • Zu glauben, dass nur das, was ich anfassen kann, auch real ist.
  • Zulassen, dass andere meinen Wert bestimmen. (Selbstwert kommt von innen.)
  • Viel zu spät ins Bett gehen.
  • Mich zu Konkurrenz zu anderen Frauen/Männern anstiften lassen.
  • Stärke mit Härte verwechseln.
  • Konflikten aus dem Weg gehen… um des lieben (Schein-) Frieden willens.
  • Lachen, wenn ich lieber ernst bleiben möchte. Und ernst bleiben, wenn ich ein Lachen in mir fühle.
  • Mich mit Musik oder anderen Geräuschen ablenken, wenn mir nach Stille ist.

(Liste inspiriert durch Cheryl Richardson „Sei dir wichtig!“)

Lebenskünstler

„Wenn ich etwas Neues brauche, mache ich es mir selbst“, sagt Marcus Graucob. Der 55-Jährige ist Künstler – Lebenskünstler. „Ich bin freiwillig arm“, versucht er, seinen Weg in Worte zu fassen. „Genau dadurch fühle ich mich reich.“ Ob Marmeladen, Säfte, Chutneys, Seifen, Jacken, Mäntel, Kissen, Mützen – Marcus Graucob kocht, rührt, siedet, gärtnert, schneidert, klebt und hämmert in Eigenregie.

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Jacke. Selbstgemacht!

„Ich mag es, vorhandene Dinge neu zu arrangieren“, erzählt er. Aus seiner Garderobe zieht er einen langen Mantel mit Kapuze hervor. „Mein Hausmantel“, lacht er. „Bequem, warm, praktisch“, schwört der Wahl-Wismarer lachend. „Er ist außerdem eine Hommage an meine Mutter – sie ist vor drei Jahren gestorben“, fügt er zu. „Für diesen Mantel habe ich eine Tagesdecke, die ich einmal von ihr geschenkt bekam, neu verarbeitet. Das Futter sind billige Fleecedecken. Ich fühle mich darin richtig wohl.“ Die Wände in der Wohnung des gelernten Restaurators sind leer. „Ist doch eh schon alles viel zu viel, was uns umgibt“, erklärt er. Dafür verteilen sich in den Räumen Objekte, Arrangements, Skurrilitäten. Ein Stück Treibholz steht auf einem Sockel am Fenster, darauf ein Tierschädel. Die Hörner sind aus Rollo-Ketten. Eine alte Brosche komplettiert das Ensemble. Auf einer Fensterbank stehen Einweckgläser – darin Glasscherben, Puppenköpfe, Arme, Beine. „Eingeweckte Kindheit“, kommentiert der Künstler das seltsame Kabinett. „Ich habe mich lange mit dem Thema beschäftigt.“ Sich immer wieder auf Themen einzulassen, in ihre Tiefen hinabzusteigen, macht ihn als Lebenskünstler aus. „Ein wichtiges Wort in meinem Leben ist ,genug‘“, erzählt Marcus. „Was ist genug? Was ist mein eigener Wunsch? Und wann bin ich durch Werbung und Umwelt beeinflusst? Ich finde es wahrlich nicht einfach, mich in dieser Welt so zu verhalten, dass ich sie nicht noch mehr kaputt mache“, sagt Graucob, der im Übrigen noch nie eine Jeans besessen hat.

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Im Garten beim Maskenbau. Fluppe im Mundwinkel gehört dazu.

Gier und Neid habe er sich abgewöhnt, sagt der Mann mit den beiden grauen Bartzöpfen. Wie das? „Geholfen hat mir vor allem die Kommune Friedenshof bei Hannover. Das ist eine spirituelle Gemeinschaft, die auf einem Bauernhof lebt. Sie ist von Thich Nhat Hanh und Lehrern anderer Traditionen inspiriert.“ Mit den Menschen dort verbringt Marcus Graucob regelmäßig Zeit. Sein Auto hat er schon vor Jahren abgegeben. „Ohne zu sterben“, lacht er. „Mein Bauch wurde dadurch schmaler und die Brieftasche dicker.“

Meditation gehört zum Alltag des Künstlers. „Ich nenne das aber nicht mehr so“, erklärt Marcus. Wir reden über Spiritualität und auch darüber, welche seltsamen Blüten sie mitunter treibt. „Was ist Spiritualität heute?“, frage ich ihn. „Bullshit!“, kommt es wie aus der Pistole geschossen. Marcus grinst. Dann relativiert der Künstler: „Ok. Lifestyle. Spiritualität ist oft nur Lifestyle.“ Genau deshalb meidet er auch das Wort „meditieren“. „Ich sitze“, sagt Marcus. „Jeden Tag 20 Minuten.“ Die Bodenkissen für sein tägliches Ritual hat er natürlich selbst gefertigt.

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Tägliches Ritual: Sitzen.

Seine Sehnsucht? „Mehr Austausch mit kreativen Menschen in Wismar. Ich lebe doch ziemlich zurückgezogen.“ Derzeit plant der gebürtige Niedersachse eine Masken-Performance. „Ich möchte mich zeigen, in dem ich mich verhülle“, sagt er schmunzelnd. Thema dieser Aktion, die auf dem Marktplatz in Wismar stattfinden soll, sind Konformität und Angepasstheit – oft die Fesseln eines freien kreativen Menschen. Sein handwerkliches Geschick hat Marcus Graucob übrigens bei Klaus Dupont gelernt. Damals, 1982, in dessen Werkstatt in Schwarmstedt. Noch heute ist Marcus Graucob mit dem Berliner Künstler befreundet. „Bei ihm habe ich viel gelernt: Präzision, Sorgfalt und den Umgang mit Werkzeugen, was enorm wichtig ist“, so der Wismarer. Eine Auswahl seiner Arbeiten ist derzeit in der Krämerstraße zu sehen. Fotografien, Streetart und Objekte auch unter www.wasserfresser.de.

 

Der mit dem Buch tanzt

„Alt werden ist widerlich“, behauptet Jürgen Cremer bei einem Treffen vor wenigen Tagen. „Schreib aber statt ,widerlich‘ besser ,unangenehm‘ – das klingt nicht so böse . . . obwohl es wirklich widerlich ist, glaub mir.“ Es ist jene Direktheit, auf deren Grund jedoch immer auch die Schelmenglocke klingelt, die den Menschen Jürgen Cremer ausmacht. Im Gespräch, in der Begegnung, im Leben überhaupt. Heute wird das Wismarer Urgestein 70 Jahre alt. Sein Bart – mittlerweile silbergraIMG_2486u – ist 25 Jahre jünger. „Den trage ich ununterbrochen seit 1970“, erklärt Cremer schmunzelnd. „Mein kleiner Protest nach der Armeezeit.“ Bart und Proteste werden zu seinen Markenzeichen. Ja, Widerstände haben ihm immer Spaß gemacht. „Die Genossen ärgern“ war für den Kommissionshändler Cremer zu DDR-Zeiten fast wie ein Sport. „Ich mochte dieses Land nicht“, gibt er rückblickend zu. Dafür liebt er Bücher. Damals vor allem die von Christa Wolf, Stefan Heym, Ulrich Plenzdorf, Hermann Kant, Jürgen Borchert oder Erich Loest. Er verkauft nicht nur deren Geschichten auf einem Strandkarren, aus einem alten B 1000 heraus oder in seinem Büchereck in der Dankwartstraße, sondern holt jene intellektuellen Widerspenstigen des Ostens allesamt nach Wismar. „Ich habe halt Lesungen gemacht mit Leuten, die mir passten“, erinnert sich der Wismarer. „An Heym habe ich bestimmt vier, fünf Jahre gearbeitet“, sagt er. Cremers Beharrlichkeit wird belohnt. Mit Stefan Heym, dem bekannten Schriftsteller und Bürgerrechtler, quatscht er im März 1979 schließlich bis tief in die Nacht. Das bringt ihm neben viel Inspiration auch eine Hausdurchsuchung der Stasi ein. Für Ulrich Plenzdorf kriegt er zwei Jahre Mensa-Verbot. „Mensch, das hat Spaß gemacht“, sagt Jürgen Cremer, zieht genüsslich an seiner Zigarette und grinst in sich hinein. Angst? „Nein, die hab ich nie wirklich gehabt“, beantwortet er die Frage nach kurzem Zögern. „Ich wollte immer wissen, wie weit ich gehen kann.“ Nach der Wende wird Cremer Wismars erster frei gewählter Kultursenator. „Das waren vier aufregende Jahre in der Bürgerschaft“, erzählt er anerkennend. „Keiner hatte Ahnung, wie es geht, doch wir waren voll und ganz bei der Sache.“ Von „Rosi“ alias Rosemarie Wilcken übernimmt er einen Tag lang sogar das Bürgermeisteramt. Eine Urkunde über diesen Deal hängt jahrelang in seinem Büchereck. Nein, tauschen möchte er aktuell auf gar keinen Fall mit den lokalen Politikern. „Heute lasse ich mich regieren“, frotzelt er. Seit fünf Jahren ist Jürgen Cremer Rentner. „Bisher hatte ich noch nicht eine Minute Langeweile“, gibt er zu. Vor allem die Maulwürfe auf seinem Gartengrundstück in Moidentin halten ihn auf Trab. Viel Zeit verbringt er hier: harkt, grubbert, baut, sortiert, liest und genießt. „Ich habe mich hier schon als Kind sehr wohl gefühlt“, schmeichelt Cremer seinen 800 Quadratmetern Land direkt am Wallensteingraben. Die kleine Oase in direkter Nachbarschaft zum Moidentiner Bahnhof hat er von seinem Großvater übernommen. Von ihm, Martin Pusch, übernimmt er 1972 auch den Papier- und Buchdruckladen in der damaligen Karl-Liebknecht-Straße. Bereits als Knirps lochte er dort die Lottoscheine der Kunden. Journalist wäre er gern geworden, erzählt Jürgen Cremer – oder Innenarchitekt, Tischler, Seefahrer. Das Leben entscheidet anders. Er bleibt im Familienunternehmen, lernt Handelskaufmann. Mitte der 70er-Jahre lässt er sich dann in Leipzig zum Buchhändler ausbilden. Die Bücherwelten von Hartpappe, Reclam, Hinstorff und Co. sind sein Element. „Mit Aalfisch, reichlich rotem Wein und weiteren Mätzchen“ kommt der Wismarer immer wieder an Exportreserven und Titel, von denen andere Buchhändler im Osten damals nur träumten. Außerdem hätte ohne ihn damals wohl niemand in Wismar je eine Bibel gekriegt. „Ich war immer ein beweglicher Mensch“, lautet Cremers Selbsteinschätzung im Rückspiegel. „Heute hat jeder alles“, sinniert er. Lange spürt er dem eigenen Satz nach. Dann sagt er: „Manchmal wünsche ich mir den Mangel zurück. Ganz ehrlich, dieses widerliche Überangebot an jeder Ecke kotzt mich an.“ Klare Worte von einem, der schon zu Mauerzeiten per Dauervisum in den Westen reisen durfte. Konsum hat ihn dabei nie sonderlich interessiert. Wir reden über Werte. Die eigenen zu reflektieren, lässt er sich Zeit. „Soziale Gerechtigkeit“, sagt er schließlich nach einer Pause. Ein Grund, warum er 1990 in Wismar als einer der Ersten in die SPD eintritt. Sein Mitgliedsbuch trägt die Nummer 14. „Ja, kann ich so stehen lassen“, setzt er noch mal nach. Ungerechtigkeit mag ich überhaupt nicht.“ Mag er sich selbst? Auch darüber redet Jürgen Cremer. „Ich bin wohl nicht der, den ich oft gegeben habe“, spricht er einige Gedanken offen aus, die nach einem intensiven Leben immer mal wieder im Kopf kreisen. Altersweisheit mit 70? „Davon merke ich nicht viel“, lacht er. „Jedenfalls wünsche ich mir, dass ich noch lange wach und gesund bleibe.“ Vor zehn Jahren zum 60. Geburtstag war er mit seiner Frau Sybille in New York. Und heute? „Ich soll nüchtern und pünktlich zu einer Feier erscheinen, die Freunde und Weggefährten für mich organisiert haben. Ich bin dort nur Gast.“Ich wollte immer wissen, wie weit ich gehen kann. Angst? Nein, hab ich nie gehabt.“JürgenCremer, Wismarer Urgestei
„ hab ich nie wirklich gehabt“, beantwortet er die Frage nach kurzem Zögern. „Ich wollte immer wissen, wie weit ich gehen kann.“ Nach der Wende wird Cremer Wismars erster frei gewählter Kultursenator. „Das waren vier aufregende Jahre in der Bürgerschaft“, erzählt er anerkennend. „Keiner hatte Ahnung, wie es geht, doch wir waren voll und ganz bei der Sache.“ Von „Rosi“ alias Rosemarie Wilcken übernimmt er einen Tag lang sogar das Bürgermeisteramt. Eine Urkunde über diesen Deal hängt jahrelang in seinem Büchereck. Nein, tauschen möchte er aktuell auf gar keinen Fall mit den lokalen Politikern. „Heute lasse ich mich regieren“, frotzelt er. Seit fünf Jahren ist Jürgen Cremer Rentner. „Bisher hatte ich noch nicht eine Minute Langeweile“, gibt er zu. Vor allem die Maulwürfe auf seinem Gartengrundstück in Moidentin halten ihn auf Trab. Viel Zeit verbringt er hier: harkt, grubbert, baut, sortiert, liest und genießt. „Ich habe mich hier schon als Kind sehr wohl gefühlt“, schmeichelt Cremer seinen 800 Quadratmetern Land direkt am Wallensteingraben. Die kleine Oase in direkter Nachbarschaft zum Moidentiner Bahnhof hat er von seinem Großvater übernommen. Von ihm, Martin Pusch, übernimmt er 1972 auch den Papier- und Buchdruckladen in der damaligen Karl-Liebknecht-Straße. Bereits als Knirps lochte er dort die Lottoscheine der Kunden. Journalist wäre er gern geworden, erzählt Jürgen Cremer – oder Innenarchitekt, Tischler, Seefahrer. Das Leben entscheidet anders. Er bleibt im Familienunternehmen, lernt Handelskaufmann. Mitte der 70er-Jahre lässt er sich dann in Leipzig zum Buchhändler ausbilden. Die Bücherwelten von Hartpappe, Reclam, Hinstorff und Co. sind sein Element. „Mit Aalfisch, reichlich rotem Wein und weiteren Mätzchen“ kommt der Wismarer immer wieder an Exportreserven und Titel, von denen andere Buchhändler im Osten damals nur träumten. Außerdem hätte ohne ihn damals wohl niemand in Wismar je eine Bibel gekriegt. „Ich war immer ein beweglicher Mensch“, lautet Cremers Selbsteinschätzung im Rückspiegel. „Heute hat jeder alles“, sinniert er. Lange spürt er dem eigenen Satz nach. Dann sagt er: „Manchmal wünsche ich mir den Mangel zurück. Ganz ehrlich, dieses widerliche Überangebot an jeder Ecke kotzt mich an.“ Klare Worte von einem, der schon zu Mauerzeiten per Dauervisum in den Westen reisen durfte. Konsum hat ihn dabei nie sonderlich interessiert. Wir reden über Werte. Die eigenen zu reflektieren, lässt er sich Zeit. „Soziale Gerechtigkeit“, sagt er schließlich nach einer Pause. Ein Grund, warum er 1990 in Wismar als einer der Ersten in die SPD eintritt. Sein Mitgliedsbuch trägt die Nummer 14. „Ja, kann ich so stehen lassen“, setzt er noch mal nach. Ungerechtigkeit mag ich überhaupt nicht.“ Mag er sich selbst? Auch darüber redet Jürgen Cremer. „Ich bin wohl nicht der, den ich oft gegeben habe“, spricht er einige Gedanken offen aus, die nach einem intensiven Leben immer mal wieder im Kopf kreisen. Altersweisheit mit 70? „Davon merke ich nicht viel“, lacht er. „Jedenfalls wünsche ich mir, dass ich noch lange wach und gesund bleibe.“ Vor zehn Jahren zum 60. Geburtstag war er mit seiner Frau Sybille in New York. Und heute? „Ich soll nüchtern und pünktlich zu einer Feier erscheinen, die Freunde und Weggefährten für mich organisiert haben. Ich bin dort nur Gast.“

 

„Mönch und Krieger“

Es ist etliche Jahre her, dass mir mein Freund Manne Jürgens eines Tages „Die sadopoetischen Gesänge des Konstantin Amadeus Wecker“ schenkte. Ein triebhaftes Meisterwerk. „Zum Brüllen komisch!“, wie Manne sagen würde. Ja, Weckers erste Langspielplatte hat es in sich. Aus den Texten tropfen gleichermaßen Blut, Zärtlichkeit, Sperma und Wollust. Eine noch etwas verstellte Wecker-Stimme singt von abgeschnittenen Gliedern, onanierenden Clowns, faulem Fleisch und irrer Lust. Ein großartiger (Meilen)Stein des Anstoßes. Politisch unkorrekt, eigen, kunstvoll, gleichermaßen traurig wie unerträglich komisch. In diesem Spannungsfeld jedenfalls genoss und inhalierte ich die schrägen Lieder.
Ich liebte diese Scheibe! Auf Anhieb.
Ich bin Manne bis heute dankbar. Wäre er damals nicht mit der CD, großer Begeisterung und einem tiefen Grinsen im Gesicht bei mir aufgetaucht, ich hätte diese Lieder wohl nie zu Ohren bekommen.
Wochenlang wehte die poetische Sado-Mucke von morgens bis abends durch meine Wohnung. Den Songtext von mein „Linker Arm“ kann ich bis heute auswendig: „Ich habe meinen linken Arm in Packpapier gepackt und hab ihn nach Paris geschickt. Am 3. Mai zur Nacht hab ich ihn abgehackt, denn ich bin so verliebt. Es klebt noch nasses Blut dran, doch das stört mich nicht, das trocknet schnell und riecht auch ganz superb. Nonette freut sich sicher, denn ich glaube nicht, dass oft ein linker Arm versendet wird…“

Es war bis letzten Freitag die bisher intensivste Begegnung mit dem Künstler Konstantin Wecker. Eine weitere kommt jetzt dazu. Ohne Notenschlüssel. Diesmal mit dem Fokus auf perfide gesellschaftliche Zustände. Weniger poetisch.  Viel mehr rebellisch. Zeitgemäß.

„Mönch und Krieger“ heißt sein neuestes Buch, gerade bei der Verlagsgruppe Random House erschienen. Untertitel: „Auf der Suche nach einer Welt, die es noch nicht gibt“.

Freitag fiel es mir beim Stöbern in der Buchhandlung in die Hände. Und dort blieb es quasi haften. Sonntag Mittag, 48 Stunden später, klappte ich die 284 Seiten zu. Tief bewegt, berührt, bereichert – glücklich. Gott sei Dank passiert mir das bei Büchern öfter. Doch so oft nun auch wieder nicht.

„Mönch und Krieger“ ist ein faszinierendes Plädoyer für die Kraft der Utopie in einer Zeit, in der „uninspirierte Realpolitik“ jeden Aufbruch und Ausbruch aus dem Gewohnten erstickt. Ich habe beim Lesen gelacht und geschluchzt.  Immer wieder stieg ein vertrautes Herzklopfen in mir auf und das unbändige Verlangen, meinem Freund in der Küche ganze Passagen vorzulesen, weil …. derart guten Stoff allein zu verstoffwechseln, einfach wenig Sinn macht. Inspiration und Freude vervielfältigen sich beim Teilen.

Oh ja. Ich wünsche mir, dass dieses Buch – seine Lebendigkeit, Aufrichtigkeit und Weisheit – unter die Leute kommt.

Seine Essenz hat mich erreicht. Ich darf Abstand halten und erkenne mich gleichzeitig wieder. Das Phänomen der Dichotomien (Gegensätzlichkeiten, die doch eine Einheit bilden), wie sie Wecker in seinem Buch als durchlebte biografische Einsichten beschreibt, sind auch in meiner eigenen Persönlichkeit tief verankert. Ich bin widersprüchlich. Jeden Tag in meinem Leben. Ich kenne die Kriegerin in mir ebenso wie jenen Anteil, der die Waffen endlich niederstrecken möchte und sich nach der Stille und Abgeschiedenheit des Klosters sehnt. Ich bin Heilige, Hure, Sünderin, Heilerin und Herrscherin zugleich…. Ein Mensch eben.

Ich musste beim Lesen laut lachen, als Wecker seine (verbalen) Aggressionen beim Autofahren hinterm Lenkrad offenbarte. („Die blöde Sau soll endlich Platz machen!“) Und mir liefen die Tränen, als er an den unerschütterlichen Glauben, den Mut und die zärtliche Unbeugsamkeit von Sophie Scholl erinnerte.

Ich liebe die Größe und Reife, mit der Konstantin Wecker eigene Schatten benennt, anerkennt und schließlich umarmt. Auch die des Welten-Egos. Ein bekennender Pazifist, der dem „inneren Faschisten“, diesem perfiden Abbild eines Kriegers, in der Rolle eines Nazis in einem wunderbaren antifaschistischen Film auf den Grund gehen konnte. Und offen darüber schreibt… Das nenne ich innere Arbeit, Ent-Wicklung, Wandlung und tatsächliche Transformation. Dem Wort einen solchen Menschen, der den immer währenden Prozess erkannt hat und ehrt, mag ich vertrauen.
Schriftsteller und Psychologe Arno Gruen, ein Vertrauter an der Seite von Konstantin Wecker, schreibt zu „Mönch und Krieger“:

„Eine außergewöhnliche Biografie, der es gelingt, mit unserem Widersprüchlichkeiten und Ambivalenzen ins Reine zu kommen. Ein mutiges Buch, das Mut macht, die Wahrheit zu wagen.“

Es gibt kaum etwas, worüber sich Wecker in seinem Buch nicht äußert: Spiritualität, Politik, Drogen, Gewohnheiten, Ängste, Demokratie, Ernährung… Dabei nimmt Tausendsassa Wecker eine aufrichtige Haltung ein, bezieht Position (trotz mancher Zweifel) und lässt seinen Leser gleichzeitig frei. Die Kraft der Demut.

Wecker bleibt immer persönlich, ganz bei sich, bedient sich für Seelenbilder, Kulissen und Symbole dabei jedoch dankbar und zurückhaltend ebenso bei Hölderlin, Goethe, Steiner, Bonhoeffer, Meister Eckhard, Arno Gruen und anderen.

Ich habe viele Zitate aus dem Buch mit Bleistift in meinem Notitzbuch notiert.
Hier eines meiner Lieblingszitate zum Schluss:

„Ich bin auf der Seite des menschlichen und nicht auf der Seite des politischen Denkens.“
(Hermann Hesse)

Aus meiner Sicht ist „Mönch und Krieger“ ganz in diesem tiefen und höchsten Sinne geschrieben.
Danke, Konstatin Wecker!

 

Lernen & Teilen

Arno Gruen: In einer Verhaltensstudie bei einem Volk in Guinea zeigte sich folgendes: Ein vierjähriger Junge bekommt ein Stück Brot. Seine zweijährige Schwester will, dass er etwas abgibt. Er gibt es ihr natürlich nicht, denn in seiner Wahrnehmung ist es seins. Sie fängt an zu weinen. Er fängt an zu weinen. Die Mutter kommt auf die Kinder zu, die jetzt lächeln. Sie nimmt dieses Stückchen Brot, teilt es in zwei. Na, was tut sie?

Sie verteilt es an beide?

Arno Gruen: Nein, typisch europäisch gedacht. Sie gibt dem Jungen beide Teile zurück. Der guckt in seine Hand – plötzlich hat er zwei Stückchen – dann steckt er das eine davon in den Mund und gibt das andere von sich aus der Kleinen. Da wir in unserer Sozialisation glauben, Kinder könnten von sich aus nicht teilen, hätten wir das Brot selbst an beide Kinder verteilt. Gelernt hätte das Kind daraus nichts, denn es muss hinnehmen. Ich fürchte, unsere Kultur engt uns von Anfang an ein und treibt uns weg von dem, was wir sein könnten.

Zeit des Wandels

Journalistin trifft spirituelle Lehrerin: Vor einigen Tagen sitze ich mit Sabine Wolf in ihrem blühenden Lichtpunkt-Garten. Wir genießen die Sonne und grünen Salat mit Sesam und Rosenblütenblättern. Und wir reden. Über uns, innere und äußere Welten, Veränderung, Wandel und Stagnation. Sabine und ich kennen uns seit einigen Jahren, sind Freundinnen in großer Freiheit und sehr verschieden in der Welt unterwegs. Genau das inspiriert unsere Begegnungen. Hier ein paar Auszüge aus unserem Mai-Gespräch. Ich stelle meine Fragen. Sabine antwortet.

Panda rhei. Alles fließt. Und doch habe ich manchmal das Gefühl, manche Dinge ändern sich nie. Nicht in mir. Nicht durch mich. Und das nach 15 Jahren spiritueller Selbsterfahrung. Deshalb meine erste Frage: Glaubst du wirklich, wirklich daran, dass wir Menschenkinder zu wahrhaftiger Wandlung fähig sind? Noch in diesem Leben? JETZT?!

Ich habe nie an etwas anderes geglaubt. Und ich erinnere mich auch an keinen Menschen, der sich nicht in den letzten Jahren gewandelt und verändert hätte. Früher geschah dies in längeren Zeiten und mit geringerem Ausdruck. Heute geschehen Veränderungen in kürzeren Fristen und in größeren Sprüngen, einfach weil dies dem Zeitgeist entspricht. Wir können uns durch negative Einflüsse auf ungute Weise ändern und wandeln. Jeder von uns kennt mindestens einen Menschen in seinem Leben, der sich negativ gewandelt hat. Schau dir einfach nur die Politiker an, die vor ihrer Wahl glänzen und brillieren und nur wenige Jahre darauf abhängige, erschöpfte, verbissene Menschen sind. Und ebenso sind wir durch positive Einflüsse wandlungsfähig. Ich kenne, wenn ich mich unter meinen Lesern und Klienten umschaue, Hunderte von Menschen, die sich in den letzten Jahren sehr verändert und entwickelt haben. Natürlich ist der Mensch zu wahrhaftiger Wandlung fähig. Heute mehr denn je.
 
Was genau macht dich so sicher?

Die Erfahrung mit mir selbst, die eigenen Wandlungen in den letzten Jahren, eigene Veränderungen, die ich selbst vorher nie für möglich gehalten hatte, sowohl auf der emotional-mentalen Ebene, auf der seelisch-geistigen Ebene. Auch auf der grundlegenden unternehmerisch-wirtschaftlichen Ebene habe ich persönlich in den letzten Jahren galoppierende Veränderungen hingelegt und Entwicklungen erlebt.  Veränderung und Entwicklung sind keine Frage unseres menschlichen Willens, sondern eher eine Folge unserer Bereitschaft, den Impulsen des Alltags zu folgen, gleichgültig ob sie schmerzhaft sind und mitunter konsequentes Loslassen, Mut und Entschlossenheit fordern.
 
 
Es gibt gewollte und ungewollte Veränderungen. Die ungewollten kommen meist unverhofft und scheinen sich dann konsequenter und auch leichter durchzusetzen? Zack. Plötzlich bist du den Job los oder den Ehepartner, Freund, Geld, Gesundheit…. Das Schicksal macht da kein großes Federlesen. Dann reagieren wir zunächst panisch, doch meist kehren zugleich auch heilende Bewegung und Neuland ins Leben ein. Wenn wir jedoch selbst aus dem relativen Wohlstand heraus etwas verändern wollen, kann das gefühlt ewig dauern, um sich durchzusetzen. Das ist doch seltsam, oder? 
 
Ich finde es nicht seltsam, sondern eher logisch, denn was unser Verstand, unsere Vernunft, unser menschliches Ego will, kratzt zumeist nur an der Oberfläche und erreicht die tief liegenden Schichten unserer Persönlichkeit nicht. Doch um diese geht es. Sie sind es, welche jetzt Veränderung in unserem Leben wollen. Was du Schicksal nennst, ist unsere eigene geistige Absicht, der Weg unserer Seele und der Wille unseres höheren Geistes. Die Frage ist nicht „Wollen wir etwas verändern oder wollen wir nichts verändern“, sondern: „Wer von uns möchte etwas verändern: unser Ego? Unsere Seele? Oder unser Geist?“ In dieser Zeit haben die Seele und der Geist die größere Durchsetzungsfähigkeit gegenüber unserem menschlichen Verstand, einfach weil es die Zeit der großen Wandlungen und Veränderungen ist. Geist und Seele haben keine Angst vor Veränderungen, nur das Ego, der menschliche Verstand.
 
Schicksal als Chance sozusagen…

Was du Schicksal nennst, wenn etwas plötzlich hereinkommt, bedeutet nur, dass der eigene hohe Geist sich ins Leben einmischt und, dem Lebensplan entsprechend, Weichen stellt. Er beendet etwas, was unser menschlicher Verstand übersieht, unser Gewohnheitsgürtel ignoriert, unsere Bequemlichkeit niemals ändern würden. Damit befreit unser Geist unsere Seele aus der Gefangenschaft der so genannten menschlichen Vernunft, die zumeist eine gut verdeckte, tiefe Angst vor Veränderungen ist. Wenn die Seele aus ihrer Gefangenschaft befreit wird, macht sie sich selbstständig und bringt ihre Impulse in das Leben herein. Das ist es was Du als heilende Bewegungen bezeichnest.
 
Und die kann kann uns mitunter heftig durchwirbeln…

Die ungewollten Veränderungen sind sicherlich die erschreckendsten und schmerzhaften, gleichzeitig aber auch die kraftvollsten und effektivsten. Die Frage lautet nicht „Was passiert“, sondern „Wie gehen wir mit dem, was passiert, um?“ Und da gibt es viele Menschen, die sich in ihr Schneckenhaus zurückziehen und eine Opferhaltung annehmen, sich weiterhin auf der Ich-kann-nicht- und Ich-will-nicht-Ebene treiben lassen. Aber es gibt auch jene, die das Zepter ihres Lebens in die Hand nehmen und dem Wink des Schicksals folgen. Viele Menschen sind in solchen Augenblicken ihres Lebens in meiner Internetschule gelandet, zu mir gekommen. Solange es ihnen gut ging, war ich ihnen zu abgehoben, zu spirituell. Doch in dem Augenblick, da ihr Lebensweg erschüttert wurde, fanden sie plötzlich Zugang zu meiner Arbeit.
 
 
Immer mehr Menschen wollen, dass sich etwas ändert. Wenige scheinen zu verhindern, was die meisten wollen? Ich spiele auf globale politische Machtverhältnisse an. Dass ganz wenigen Menschen der meiste Reichtum auf dieser Erde gehört, ergibt doch keinen Sinn? 
 
Es gibt sehr wohl Sinn, dass wenige Menschen viel Macht auf Erden hatten, allerdings liegt dieser Sinn auf der seelischen und geistigen Ebene, nicht in der physischen. Dies entspricht dem alten Zeitgeist, da das Leben in der Armut, der Dunkelheit und der Trennung selbst der Sinn unserer Anwesenheit auf Erden war. Nicht umsonst gibt es Worte wie: „Not macht erfinderisch“ und „wenn wir nichts mehr zu verlieren haben, sind wir frei“. Sie deuten auf eine Weisheit und eine Kraft hin, die offensichtlich nur im verdunkelten Leben zu finden und zu entwickeln ist.
 
Unsere Seele ist durchaus in der Lage, sich trotz – oder gerade wegen – äußerer Gefangenschaft oder Armut, innerlich zu entwickeln und frei zu werden. Doch dafür braucht sie die Unterstützung des freien Geistes. Leidet jedoch das Ego in einer erklärten Opferhaltung unter äußeren Engpässen, kämpft das Ego im Außen gegen etwas an, dass es nicht beeinflussen und verändern kann, verpasst es im Inneren gleichzeitig die eigenen Chancen – nun, dann ist auch die Seele gefangen und nicht fähig, sich zu entwickeln. Hier stellt sich die Frage: sind das Ego und die Seele ein Team oder sind sie Gegner? In diesem Fall kommt der Augenblick, da unser höherer Geist eingreift, um die Seele zu befreien und den Lebensweg wieder flüssig zu machen.
 
Und wie können wir diese Verhältnisse wirksam beeinflussen oder kippen?

Es geht nach meiner Wahrnehmung nicht darum, die äußeren Kräfteverhältnisse wirksam zu beeinflussen und zu kippen, sondern darum, die eigenen inneren Machtverhältnisse zu erkennen und zu klären: das Ego, der menschliche Verstand, steht an 3. Stelle. An 2. Stelle steht die Seele und an 1. der hohe Geist. Sein Wille setzt sich durch.
 
Wenn viele Menschen aus der Opferhaltung herauskommen und aufhören, die wenigen Reichen zu beschimpfen und sie damit energetisch zu verschmutzen und ihren dunklen Geist zu stärken, dann würde sich die Welt schon verändern. Nicht die wenigen Mächtigen bringen viel Dunkelheit und Armut in diese Welt, sondern die vielen scheinbar Ohnmächtigen, in Wirklichkeit aber geizigen, missgünstigen, argwöhnischen, schimpfenden Bürger dieser Welt. Wir können die Welt nur in uns selbst verändern. Und wenn wir damit beginnen, werden wir erleben, dass es tatsächlich wirkt. Solange wir nach außen schauen sind wir gelähmt und unfähig weder sie noch uns zu bewegen
 
Was die tyrannischen Strukturen unserer Weltregierung und Weltwirtschaft angeht, so gibt es im Vergleich zu den letzten Jahrtausenden nur einen kleinen Unterschied, nämlich dass diese Strukturen nicht mehr im Geheimen wirken, sondern nun offen gelegt werden. Und genau diese Offenlegung ist ein sicheres Zeichen dafür, dass diese dunklen Strukturen am Ende sind und sich nicht mehr lange halten können. Allein wenn wir dies begreifen, können wir uns völlig entspannen und unseren Blick gelassen und aufmerksam auf das Licht in dieser Welt richten, das von Tag zu Tag stärker wird.
 
Veränderung ohne Chaos und Schmerz… Ist das möglich?
 
Natürlich ist Veränderung ohne Chaos und Schmerz möglich. Doch das setzt voraus, dass wir die Kapitel unseres Lebens, die sich erfüllt und erledigt haben, auch abschließen. Es setzt voraus, dass wir Dinge, Personen und Situationen loslassen, die unsere Entwicklung behindern. Genau das können – oder wollen – die meisten Menschen nicht. „Wenn es am besten schmeckt soll man aufhören.“ Die Frage, ob eine Veränderung chaotischer und schmerzhaft ist oder freudig und fließend, hängt vollkommen davon ab, ob unsere innere Trinität, der Geist, die Seele und der Verstand im Einklang miteinander sind, oder ob sich der Verstand gegen den Geist auflehnt und die Seele unterdrückt. Und tatsächlich ist dies noch bei vielen Menschen der Fall, selbst bei jenen die sich spirituelle engagieren.
 
 
Wir leben im vernetzten Informationszeitalter. Wer nicht vollkommen blöd ist, weiß zumindest, was dringend zu unterlassen wäre, um diesen Planeten nicht vollkommen zu ruinieren. Ob Wachstums- oder Zinspolitik, Atomenergie, Plastikindustrie, Meeresverschmutzung,  Massentierhaltung…. Dennoch machen Menschen – aufgeklärt, klug, mächtig und gebildet – die immer selben Fehler. Wie erklärt sich dieses kaputte Phänomen aus deiner Sicht?
 
Schon in der Frage und der Art, wie du sie stellst, spüre ich eine große Verbitterung und den fast zwanghaft anmutenden Fokus auf das Schlechte, das Böse, das Kranke und Ungute in dieser Welt, auf die ruinierenden Kräfte, die verschmutzenden und mörderischen Energien. Ich empfinde eher diese Art der Weltsicht als ein „kaputtes Phänomen“.
 
Diese Schattenseiten unseres Menschseins sind eine ganz natürliche Folge eines viel tausendjährigen Zyklus der menschlichen Entwicklung innerhalb stark verdunkelter Energiezonen. Dies ist ein evolutionärer Fakt, an dem wir nichts ändern konnten und können. Das bedeutet: Nicht nur der Mensch ruiniert, sondern die geistige Matrix, die energetischen Möglichkeiten, denen der Mensch in den letzten Jahrtausenden ausgesetzt war, war ruinös. Jetzt bezeichnest du den Menschen als Täter oder als blöd. Ich könnte auch sagen: der Mensch ist ein Opfer dunkler Zeitalter und aus dieser Opferschaft heraus versucht er immer wieder und auf verschiedenste Art und Weise, sich in Sicherheit zu bringen, Liebe und Respekt zu ergattern, sich Anerkennung und emotionale Lebensgrundlagen zu sichern, die er meint zu brauchen.
 
Ich bin davon überzeugt, dass die Anzahl der Menschen die du hier anklagst, sehr viel geringer ist, als die Anzahl jener Menschen die liebevoll auf diese Welt blicken und ihre ganze Kraft, Aufmerksamkeit und Hoffnung auf das Licht in dieser Welt lenken. Und genau dies wäre eine Lösung: würde die Hälfte der Menschheit nur 1 Stunde lang für das Licht auf dieser Erde beten oder sich aktiv auf ihr inneres Herzlicht ausrichten, dann würde schon bald keine kranken Phänomene mehr in dieser Welt geben.
 
Das Internet ist in der Lage das Gute und das Böse zu verbreiten und zu polarisieren. Es ist unsere Entscheidung, wohin wir schauen. Und dort, worhin wir schauen, entsteht Kraft. Das, was wir anschauen, verbindet sich mit uns. Meine Entscheidung: Ich schaue auf das Licht, auf die Liebe auf die Hoffnung – verbindet mich mit ihr und stärke sie dadurch in dieser Welt.
 
Was nährt Entschiedenheit und Mut? 
 
Die Liebe zu uns selbst, das Uns-selbst-so-sein-lassen-wie-wir-sind nährt Entschiedenheit und Mut. Denn dadurch entsteht die Einsicht, dass wir machtvoll sind und sehr wohl auf unsere eigene Welt und unsere Umgebung verändernd einwirken können.
 
 
Alle reden über Veränderung. In spirituellen Kreisen ist es geradezu schick. Doch Veränderungen wirklich, wirklich sichtbar und fühlbar zum Wohle aller im eigenen Leben zu manifestieren, gelingt vergleichsweise wenigen Menschen. Hast du dafür eine Erklärung?
 
Viele Menschen suhlen sich gern noch in der Opferhaltung. Es ist dies nach meiner Wahrnehmung einfach nur die bequemere Entscheidung, wenn sie vor der Wahl der Veränderung oder der Fortsetzung ihres Lebens stehen.
 
Dennoch, es gibt viel mehr spirituelle ernsthaft ambitionierte Menschen, die in Religion, Wissenschaft, Gesundheitswesen, Kunst, Kultur, Politik und selbst Wirtschafts- und Bankenwesen tätig sind und dort an der Wandlung eines sehr festgefahrenen Systems und an der Entwicklung neuer liebevoller Systeme arbeiten – nicht selten ohne Gefahr für ihr Leben, wie wir an einem der berühmtesten Verräter Amerikas, Ed Snowden, sehen können. Solange wir dies nicht sehen, ignorieren oder gar negieren, werden wir den alten dunklen Kräften dieser Welt noch anhängen – und gar nicht merken wie viel Lebensenergie uns allein dieser Fokus kostet.
 
Jeder Mensch ist in der Lage, sein eigenes Herzlicht so weit zu aktivieren, dass die eigenen Schlacken und die der Umgebung darin verbrennen können. Und dies ist wirklich im wörtlichen Sinne gemeint, denn genau das geschieht im Energiegefüge, der Kollektivaura, die uns miteinander verbindet. Und dies ist es, wobei ich den Menschen helfe: Ihr eigenes Herzlicht in seiner liebenden, reinigenden und verwandelnden Form zu entdecken und zu aktivieren. Und sie tun es. Und sie verändern dadurch sich und ihre Umgebung.
 
Deine spirituelle Arbeit basiert darauf, Menschen zu ermutigen, Veränderung zuzulassen. Woran arbeitest du gerade?
 
2007 entwickelte ich 21 Lektionen zum menschlichen Alltag. Sie haben hunderten Menschen geholfen, ihr Leben auf eine neue Weise zu verstehen und zu meistern. 2009-12 veranstaltete ich 11 tv-Seminare zu denselben Themen. Auch sie erreichten und veränderten viele Hundert Menschen. 2013 begann ich, 45 Schulungs-Webinare zu unserer geistigen Anatomie und zu den Möglichkeiten unseres geistigen Handelns zu geben.
 
Es war sehr viel – für viele fremd anmutender – Stoff in einer vergleichsweise kurzen Zeit. Er steht nun in meiner Internetschule zur Verfügung.
 
Nun habe ich das ET-Coaching entwickelt, das den Menschen in kleinen wöchentlichen Portionen die Möglichkeit gibt, eine grundlegend neue Sicht auf ihr Leben zu erlangen und auf verschiedensten Ebenen handlungs-und wandlungsfähig zu werden. Dieses einjährige Projekt richtet sich auf jene inneren Seelenkräfte aus, die auf die Wandlung warten und hierfür Unterstützung brauchen. Der spirituelle Wille ist an das Ego gebunden, kann also nicht viel ausrichten. Wahre Wandlung im Außen läuft über die zelluläre Wandlung im Inneren: die Veränderung unserer Zellprogramme und die neuronalen Strukturen. Auch die Wissenschaft hat dieses Phänomen inzwischen erkannt: Äußere Veränderung läuft nur über die Veränderung innerer Strukturen und Informationen, das heißt andere Glaubensmuster, anderer Fokus, andere Gedanken als bisher. Hier setze ich an.

Infos zur Arbeit von Sabine Wolf unter www.sabine-wolf-mediathek.de

Atelierbesuch

Der Maler Hans W. Scheibner.

Besuch bei dem Maßlower Maler, Bildhauer, Regisseur und Puppenbauer Hans W. Scheibner. Sein Atelier erinnert an das kreative Chaos des irischen Malers Francis Bacon. Überall Bilder, Farben, Zettel, Fetzen, Fotos, Erinnerungen, Puppen, Masken, Fundstücke…
Klar, Hans mag den Bacon. Und Lucian Freud und George Grosz – die beiden besonders. Er selbst ist ein gnadenlos Kreativer – erweckt Hölzer, Schrauben, manchmal sogar Abfall zu neuem Leben. Und Hans malt mit einem Ausdruck, der mich in Ehrfurcht zuweilen fast zurückweichen lässt. Kraftvoll, rabiat, konsequent. Dem Gerhard Richter hat er mit Pinsel und leuchtender Farbe prompt ein Schlitzohr verpasst. Seine Porträts erstaunen mich. Zu Richter gibt es in Hans Scheibners Biografie durchaus Verbindungen. Anfang der 60-iger Jahre hatte er zusammen mit Hans-Hendrik Grimmling sein erstes Atelier in Leipzig. Später gehörten zu dieser Gruppe auch Gerhard Richter und Lutz Friedel.

„Der Mensch weiß oft gar nicht, welches Glück ihn umgibt“, sagt der Maler heute. Nicht nur sein fast weißer ‚Hans-Bart‘ (mit dem er sicher schon auf die Welt gekommen ist) und die vielen Jahre Lebenserfahrung machen den Tausendsassa humorvoll, streng, weich und weise zugleich. Das traumhafte Anwesen in Maßlow, die Natur, viel frische Luft, Reiten mit dem befreundeten Bauern aus der Nachbarschaft, seine Familie…. „Ich bin endlich angekommen“, sagt Hans. In ein paar Tagen wird er 69.

Den Traum Künstler zu sein, hat er schon als Junge so intensiv geträumt, dass ihn niemand aufhalten konnte. Dabei hat mit Boxen alles angefangen. In seinem ersten Heimat-„Stall“ in der Nähe von Leipzig lernt er Selbstbewusstsein, Disziplin und Fairness. „Wer weiß, vielleicht wäre ich sonst sogar ein Schläger geworden“, sagt Hans. Als Kind hat er stark gestottert. „Hat sich durch’s Boxen gelöst“, ist er sich sicher. Ein Boxsack hängt heute noch in seinem Atelier – zwischen riesigen Leinwänden mit Wettkampfszenen und Porträts von Weltmeistern und Trainern.

Die Begegnung mit seiner Frau Karin Zimmermann ist 1974 so etwas wie Fügung. „Wir sind grundverschieden“, sagt er. „Haben einander aber nie ändern wollen.“ Für ihn ist das Liebe. „Jeden Morgen, wenn ich aufstehe, bin ich fasziniert von dieser Frau, fahre noch immer total auf sie ab. Ich sage, die beste Kosmetik der Geist.“

Karin ist auch Malerin. Als co-kreatives Paar sind beide miteinander gereift und gewachsen. Zwei Kinder – auch Künstler. „Ohne Karin, ihren Halt, hätte ich mich wahrscheinlich sehr viel früher völlig verlebt. Ich wäre einfach immer weitergekreiselt…. Ich habe in jungen Jahren sehr intensiv gelebt, kaum geschlafen. Ich wollte nichts verpassen.“

Die Dummheit vieler Menschen regt Hans auf. Er schimpft auf die Achtlosen, die Mitläufer, den ganzen Konsumwahnsinn. Sein künstlerisches Werk trägt Botschaften. Oft die einer kaputten Welt und ganz eigene. Er collagiert, probiert, transformiert. Gerade ist in seinem Atelier das „deutsche Rassehuhn“ entstanden – eine seltsam mutierte Kreatur aus Knochen, Hahnenfüßen, einem Hundegebiss und zig Fetzen von bunten Werbeprospekten. Ihn gruselt die Freiheit der Idioten. „Irgendwann weiß keiner mehr, wie es geht“, sagt er kopfschüttelnd.

Er, der er zu DDR-Zeiten des eigenen Kopfes und künstlerischer Wahrheiten wegen Theaterverbot hatte, preist heute mehr und mehr die einfachen Wunder um ihn herum. „Jeden Tag geht die Sonne auf, die Vögel zwitschern. Die Hühner im Hof gackern und legen ein Ei, was ich dann zum Frühstück essen. Ich habe eine so tiefe Hochachtungen vor all diesen Geschenken. Und während diese Wunder tagtäglich geschehen, wollen Leute noch schnellere Autos und hochfrisierte Maschinen…. Sie leben am Leben vorbei, weil sie denken, dass das liebe Geld unser aller Gott ist.“

Hans hat einen schönen Humor. Den trägt er auf der Zunge. Seine Hände hingegen übersetzen eher still alles in eine lebendige Form. Er hat neue Latten am Zaun. Vor dem Haus. Bunte. Mit Figuren drauf. Er erzählt mir dazu fröhliche Geschichten. Dann zeigt er auf die großen hellen Plastiken im Garten mit den vielen Bäumen. Die Arbeiten sind von seiner Tochter Anna Martha Napp. Wunderbare Symbiose zwischen Kunst und Natur.
An diesem Ort zu sein, macht ganz offen und zufrieden. Tut richtig gut.

Ja, das Dorf Maßlow ist durch Hans W. Scheibner und seine Familie ein spürbar besonderer Ort. Bezaubernd. Inspirierend. Lebenswert.

www.kunstatelier-masslow.de

Hans Bilder sind seine Biografie.
Hans und das „deutsche Rassehuhn“.
Porträt Gerhard Richter „mit Schlitzohr“.
Atelierblick.
Alle Latten im Zaun sind neu. Mit bunten Figuren.